Kurzfassung

Dieser Beitrag beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Entstehung des „dialektischen Materialismus“. Zudem werden die Grundprinzipien der Dialektik, wie Engels sie aufgefasst hat, dargestellt. Der Schwerpunkt liegt aber – wie der Titel schon besagt – auf der Betrachtung der Anwendung dieser Prinzipien auf die Naturwissenschaften durch Friedrich Engels. Alle diese Punkte werden in kürze in gesonderten Beiträge ausführlicher betrachtet.

Zur Entstehung des „dialektische Materialismus“ – wie die Philosophie von Marx und Engels später bezeichnet wurde – trugen Marx und Engels beide etwas Entscheidendes bei. Für Friedrich Engels war schon früh klar, dass die Welt eine materialistische ist und außer Materie und Energie nichts existiert. Marx dagegen legte besonders großen Wert auf die Beibehaltung der Hegelschen Dialektik. Diese beiden Zutaten zusammen bildeten die entscheidenden Grundlagen ihrer Philosophie, deren Ausarbeitung aber dann fast das alleinige Werk von Friedrich Engels war.

Für Friedrich Engels waren die Naturwissenschaften die „Probe auf die Dialektik“, weil er der Meinung war, dass sich die Naturwissenschaftler der dialektischen Methode bedienen müssten, wenn sie die Bewegungsgesetze der Natur ergründen wollten, weil die Natur selbst sich dialektisch verhält. Gleichzeitig waren für Engels die Erfolge der Naturwissenschaften in der Erkenntnis der Natur der Beweis, dass – wenn auch weitestgehend unbewusst – genau dies geschehen war. Die Welt wurde nun nicht mehr statisch erklärt, sondern war in stetem Wandel begriffen, wie es die Kosmologie und besonders die Darwinsche Evolutionstheorie zeigten. Gleichzeitig hatte das Energieerhaltungsgesetz bewiesen, dass vormals isolierte Formen der Energie sich ineinander verwandeln können.

Obwohl Friedrich Engels die Entwicklung der Naturwissenschaften ganz zutreffend dargestellt und prognostiziert hat, ist der „dialektische Materialismus“ für die Entwicklung der Naturwissenschaft ohne große Bedeutung geblieben. Und das, obwohl er in den realsozialistischen Ländern sogar die herrschende Ideologie darstellte. Woran hat das gelegen? In der Anfangsphase hat die Naturwissenschaftler sicher das revolutionäre Pathos abgeschreckt, das mit dieser Philosophie verbunden war. Nachdem sie sich dann immer mehr zu einem starren Dogma entwickelt hatte, war sie für den Aufbruch ins Neue, wie es für die Naturwissenschaften ja so typisch ist, gänzlich ungeeignet.

Friedrich Engels und die Naturwissenschaften seiner Zeit[1]Leicht veränderte Fassung eines Aufsatzes, den der Autor unter dem nämlichen Titel in folgendem Sammelband veröffentlicht hat: Lebenswerk Welterbe. Aspekte von Industriekultur und … Continue reading

Der Weg zum „dialektischen Materialismus

Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) waren beide Anfang der 1840er Jahre Anhänger der „Junghegelianer“[2]Hierzu gehörten u.a. David Friedrich Strauß (1808-1874), Bruno Bauer (1809-1882), Max Stirner (1806-1856) und Ludwig Feuerbach (1804-1872).,die ausgehend von den Ideen des in Stuttgart geborenen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), eine radikale Kritik an Religion und Staat vertraten. Marx entwickelte daraus in den Jahren 1843/44, angeregt durch den materialistischen Philosophen Ludwig Feuerbach und den führenden Junghegelianer Bruno Bauer, einen „spekulativen Materialismus“[3]Besonders deutlich wird diese Herangehensweise in den beiden Schriften, die Marx in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ veröffentlichte: „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, … Continue reading, indem er nicht nur die Dialektik von Hegel, sondern auch dessen spekulative Methode benutzte. Diese im Gegensatz zu Hegel aber nicht auf die Welt der Ideen, sondern auf die wirkliche Welt anwandte. Ganz anders Friedrich Engels, der als Unternehmer aus der Wirtschaftswelt kam, sich intensiv mit Nationalökonomie beschäftigt und auch die Lage der arbeitenden Klasse in England[4]„Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ (MEW 1, S. 499-524), die ebenfalls in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ erschien, und vor allem natürlich „Die Lage der arbeitenden … Continue reading detailliert untersucht hatte. Im Jahre 1844 lernten sich die beiden näher kennen und bildeten dann bis zu Marx’ Tod ein produktives Freundespaar, wie es in der Geistesgeschichte ihresgleichen sucht. Durch Engels kam Marx auf die Idee, seine Spekulationen durch Studien der Nationalökonomie zu untermauern.[5]Die erste Frucht seiner Beschäftigung mit der Nationalökonomie, die erst lange nach seinem Tod veröffentlicht wurde, atmet noch vollständig den Geist der Spekulation: … Continue reading Bis fast zu seinem Lebensende wurde dies nun seine Hauptbeschäftigung. Die Berge von Exzerpten und Manuskripten, die er in dieser Zeit beschrieb, wurden nur in den wenigstens Fällen zu seinen Lebzeiten veröffentlicht.[6]Seine wichtigste Veröffentlichung auf diesem Gebiet ist zweifellos „Das Kapital, Erster Band“ aus dem Jahre 1867 (MEW 23, S. 1-802). Es war gleichzeitig Marx’ letzte derartige … Continue reading Zu philosophischen Fragen hat sich Marx nie im Zusammenhang geäußert. Es war Friedrich Engels, der ihre philosophischen Vorstellungen in späteren Jahren systematisierte und dafür die Bezeichnung „materialistische Dialektik“[7]„Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ (MEW 21, S. 293) (im folgenden zitiert als: Engels: Feuerbach). Den heute gebräuchlichen Begriff des … Continue reading prägte. Hierfür sind zwei Bücher[8]Friedrich Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft.“ („Anti-Dühring“) (MEW 20, S. 1-303) (im folgenden zitiert als: Anti-Dühring) und Engels: Feuerbach, S. … Continue reading maßgeblich, die er zu Lebzeiten veröffentlichte, und eines[9]Friedrich Engels: „Dialektik der Natur.“ (MEW 20, S. 305-570) (im folgenden zitiert als: Dialektik der Natur)., in dem seine Manuskripte posthum veröffentlicht wurden. Besonders in zweien dieser drei Bücher[10]Anti-Dühring und Dialektik der Natur. hat sich Engels intensiv mit der Naturwissenschaftsgeschichte und den Naturwissenschaften auseinandergesetzt. Zu welchen Ergebnissen er dabei kam, soll im folgenden untersucht werden.

Marx und Engels waren weder die ersten noch die einzigen, die „die Natur als das Ursprüngliche ansahen“[11]Ebd., S. 275. – also Materialisten waren.[12]Engels: Feuerbach, S. 275. Diese Idee stammte ursprünglich aus der griechischen Antike und war in Frankreich und England bereits seit dem 18. Jahrhundert heimisch, während in Deutschland der Idealismus in höchster Blüte stand. Neben Feuerbach gab es im 19. Jahrhundert aber noch eine Reihe weiterer Vertreter des Materialismus in Deutschland, die allesamt ursprünglich Naturwissenschaftler und/oder Ärzte waren, wie z.B. Carl Vogt (1817-1895), Ludwig Büchner (1824-1899) – ein jüngerer Bruder von Georg Büchner – und Jakob Moleschott (1822-1893), weshalb ihre Philosophie als naturwissenschaftlicher Materialismus bezeichnet wird.[13]Materialismus-Streit 2012. Engels vertrat eine ganz ähnliche Auffassung. Der entscheidende Unterschied war seiner Meinung nach, dass die anderen Materialisten neben dem Idealismus von Hegel auch dessen Dialektik über Bord geworfen hätten.[14]Engels: Feuerbach, S. 291 ff.

Die Werke von Vogt, Büchner und Moleschott wurden z.T. Bestseller, was man von den Büchern von Marx zu dieser Zeit nicht behaupten kann. Sie waren auch engagierte Vertreter der bürgerlichen Revolution. Engels geht in seinen philosophischen Schriften inhaltlich auf diese Denker überhaupt nicht ein, wenn er sie erwähnt, dann bezeichnet er sie als „Vulgärmaterialisten“, als „metaphysische Materialisten“ oder als „Reiseprediger und Karikaturen“.[15]Dialektik der Natur, S. 331 f.

Die Gesetze der Dialektik

Wie beschreibt Friedrich Engels nun die allgemeinen „Gesetze der Dialektik“?:
„Es ist also die Geschichte der Natur wie der menschlichen Gesellschaft, aus der die Gesetze der Dialektik abstrahiert werden. Sie sind eben nichts andres als die allgemeinsten Gesetze dieser beiden Phasen der geschichtlichen Entwicklung sowie des Denkens selbst. Und zwar reduzieren sie sich der Hauptsache nach auf drei:
das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt;
das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze;[16]Ein anderer Begriff hierfür, den Engels häufig benutzt, ist „Polarität“ oder „Kampf und Einheit der Gegensätze“.
das Gesetz von der Negation der Negation.[17]Kann auch als Dreischritt These-Antithese-Synthese aufgefasst werden.
[…] Der Fehler [bei Hegel RS] liegt darin, daß diese Gesetze als Denkgesetze der Natur und Geschichte aufoktroyiert, nicht aus ihnen abgeleitet werden.“[18]Dialektik der Natur, S. 348.

Auf Grund dieser Gesetze ist die Materie ständig in Bewegung und verändert sich fortwährend – so Engels. Dabei gibt es eine Aufwärtsbewegung vom Niederen zum Höheren. Denselben Gesetzen ist auch die menschliche Geschichte und das subjektive Denken des Menschen unterworfen. Deshalb kann der menschliche Verstand die objektive Welt erkennen, wenn er sich der Dialektik bedient und „von den gegebenen Tatsachenausgeht. Eine absolute Wahrheit kann der Mensch dabei aber niemals finden. Die Menschheit insgesamt kann sich dieser objektiven Wahrheit in einem „unendlichen asymptotischen Prozeß“[19]Dialektik der Natur, S. 334, S. 502 (Hervorheb. im Original, RS). nur annähern. Die ewige Veränderung ist „das einzig Absolute, das“ diese Anschauungsweise „gelten läßt.“[20]Engels: Feuerbach, S. 268.

Es ist davon auszugehen, dass Engels deshalb „Grenzen der Erkenntnis“, so wie Emil Du Bois-Reymond sie deklariert hat, nicht akzeptiert hätte. Engels hat die berühmte Ignorabimus-Debatte durchaus wahrgenommen, wie aus seinen Notizen hervorgeht, aber Stellung hat er dazu nicht genommen.[21]Ignorabimus-Streit 2007. In seiner Gliederung für das geplante Buch über die „Dialektik der Natur“ findet sich unter 6. der Gliederungspunkt: „Die Grenzen des Erkennens. Du Bois-Reymond und … Continue reading

Wenn auch der Entwicklung der Natur, der Geschichte und der Erkenntnis kein Ende gesetzt ist, so schließt „mit Hegel […] die Philosophie […] ab […], weil er uns […] den Weg zeigt […] zur wirklichen Erkenntnis der Welt.“

Damit ist nach Engels die Philosophie zumindest zum größten Teil an ihrem Ende angelangt, denn er meinte:
„Sobald an jede einzelne Wissenschaft die Forderung herantritt, über ihre Stellung im Gesamtzusammenhang der Dinge und der Kenntnis von den Dingen sich klarzuwerden, ist jede besondre Wissenschaft vom Gesamtzusammenhang überflüssig. Was von der ganzen bisherigen Philosophie dann noch selbständig bestehn bleibt, ist die Lehre vom Denken und seinen Gesetzen – die formelle Logik und die Dialektik. Alles andre geht auf in die positive Wissenschaft von Natur und Geschichte.“[22]Anti-Dühring, S. 24.

Dies ist nun in gewissem Sinne eine Art Anti-Philosophie, die darüber hinaus auch eine sehr große Ähnlichkeit mit den Ansichten der „naturwissenschaftlichen Materialisten“ und auch mit denen der Positivisten hat, obwohl die letzteren von den „Marxisten“ stets aufs Heftigste bekämpft wurden.

Engels und die Geschichte der Naturwissenschaften

Durch sein Studium der Naturwissenschaften wollte Engels nun nachweisen,
„daß in der Natur dieselben dialektischen Bewegungsgesetze im Gewirr der zahllosen Veränderungen sich durchsetzen, die auch in der Geschichte die scheinbare Zufälligkeit der Ereignisse beherrschen; dieselben Gesetze, die, ebenfalls in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens den durchlaufenden Faden bildend“.[23]Anti-Dühring, S. 11.

Bei diesen Studien zeigte sich nun für Engels nicht nur, dass die Gesetze der Dialektik in der Natur wirken, sondern dass auch die Entwicklung des menschlichen Wissens über die Natur nach dem Gesetz der Negation der Negation verlaufen war. Denn ursprünglich herrschte von der Natur
„das Bild einer unendlichen Verschlingung von Zusammenhängen und Wechselwirkungen, in der nichts bleibt, was, wo und wie es war, sondern alles sich bewegt, sich verändert, wird und vergeht. Diese ursprüngliche, naive, aber der Sache nach richtige Anschauung von der Welt ist die der alten griechischen Philosophie und ist zuerst klar ausgesprochen von Heraklit: Alles ist und ist auch nicht, denn alles fließt, ist in steter Veränderung, in stetem Werden und Vergehn begriffen.“

Aber so richtig diese Anschauung „den allgemeinen Charakter des Gesamtbildes der Erscheinungen erfaßt,“ so wenig gelingt es hiermit, die „Einzelheiten“ zu erklären, „aus denen sich dies Gesamtbild zusammensetzt“. Dies gelang erst mit der „Zerlegung der Natur in ihre einzelnen Teile, die Sonderung der verschiednen Naturvorgänge und Naturgegenstände in bestimmte Klassen“. Dies war nach Engels „die Grundbedingung der Riesenfortschritte, die die letzten 400 Jahre uns in der Erkenntnis der Natur gebracht.“

Aber diese Herangehensweise an die Natur „hat uns ebenfalls die Gewohnheit hinterlassen, die Naturdinge und Naturvorgänge […], außerhalb des großen Gesamtzusammenhangs aufzufassen; daher nicht in ihrer Bewegung, sondern in ihrem Stillstand,“ als unveränderliche und tote Tatbestände. Diese Betrachtung brachte „die spezifische Borniertheit der letzten Jahrhunderte, die metaphysische Denkweise“ (wie Engels die undialektische Denkweise bezeichnet) hervor.[24]Alle Zitate aus Anti-Dühring, S. 20 f.

Dies war also die Negation der griechischen Naturauffassung und die „moderne[…] Naturwissenschaft“ brachte nun die Negation der Negation[25]Man könnte auch sagen, dass aus These und Antithese die Synthese entstand. zustande, indem sie „bewiesen hat, daß es in der Natur […] dialektisch und nicht metaphysisch hergeht.“

„Eine exakte Darstellung des Weltganzen, seiner Entwicklung und der der Menschheit, sowie des Spiegelbildes dieser Entwicklung in den Köpfen der Menschen, kann also nur auf dialektischem Wege, mit steter Beachtung der allgemeinen Wechselwirkungen des Werdens und Vergehens, der fort- oder rückschreitenden Änderungen zustande kommen.“[26]Anti-Dühring, S. 22.

Für Engels waren es neben der Astronomie und der Geologie vor allem
„drei große Entdeckungen, die unsere Kenntnis vom Zusammenhang der Naturprozesse mit Riesenschritten vorangetrieben haben: Erstens die Entdeckung der Zelle […]. – Zweitens die Verwandlung der Energie, […] die in bestimmten Maßverhältnissen die eine in die andere übergehn, so daß für die Menge der einen, die verschwindet, eine bestimmte Menge einer andern wiedererscheint und so daß die ganze Bewegung der Natur sich auf diesen unaufhörlichen Prozeß der Verwandlung aus einer Form in die andre reduziert. – Endlich der zuerst von Darwin im Zusammenhang entwickelte Nachweis, daß der heute uns umgebende Bestand organischer Naturprodukte, die Menschen eingeschlossen, das Erzeugnis eines langen Entwicklungsprozesses aus wenigen ursprünglich einzelligen Keimen ist und diese wieder aus, auf chemischem Weg entstandenem, Protoplasma oder Eiweiß hervorgegangen sind.“[27]Engels: Feuerbach, S. 295.

Daraus zog Engels den Schluss, dass
„wir […] wieder zurückgekehrt [sind] zu der Anschauungsweise der großen Gründer der griechischen Philosophie, daß die gesamte Natur, […] in unaufhörlichem Fluß, in rastloser Bewegung und Veränderung ihr Dasein hat. Nur mit dem wesentlichen Unterschied, daß, was bei den Griechen geniale Intuition war, bei uns Resultat streng wissenschaftlicher, erfahrungsmäßiger Forschung ist und daher auch in viel bestimmterer und klarerer Form auftritt.“[28]Dialektik der Natur, S. 320.

Engels und die Naturwissenschaften seiner Zeit

Im folgenden soll untersucht werden, wie Engels die Erkenntnisse der Naturwissenschaften im Detail beurteilte.[29]In naturwissenschaftlichen Fragen beraten hat Marx und Engels ihr Freund, der deutsche Chemiker Carl Schorlemmer (1834-1892), der seit 1874 Professor für Organische Chemie in Manchester und seit … Continue reading

Die Kosmologie

Engels war ein entschiedener Anhänger der Kant-Laplacsche Nebularhypothese.[30]Immanuel Kant (1724-1804) hatte die Theorie, wonach Sterne und Planeten aus einem Urnebel entstanden seien, 1755 veröffentlicht. Dies wurde jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Dies änderte sich als … Continue reading Aus dem folgenden geht hervor, was den Materialisten Engels besonders für diese Theorie einnahm:
„Die erste Bresche in diese versteinerte Naturanschauung wurde geschossen nicht durch einen Naturforscher, sondern durch einen Philosophen. 1755 erschien Kants „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“. Die Frage nach dem ersten Anstoß war beseitigt; die Erde und das ganze Sonnensystem erschienen als etwas im Verlauf der Zeit Gewordenes.“[31]Dialektik der Natur, S. 313-318.

So sehr Engels sich darüber freute, dass sich dank Kant eine Schöpfung des Weltalls erübrigte und die Kosmologen inzwischen davon ausgingen, dass es noch eine Vielzahl von Galaxien im Universum gäbe, so wenig war er mit den Folgerungen, die Rudolf Clausius (1822-1888) gezogen hatte, einverstanden. Dieser hatte aus dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik geschlossen, das eines fernen Tages alle Energie des Universums sich in Wärmeenergie verwandelt haben würde, so dass es den Wärmetod sterben müsse.

Diese Theorie lehnte Engels entschieden ab. Auch wenn ihm klar war, dass nach Millionen von Jahren, unerbittlich die Zeit heranrückt, in der
„die Erde, ein erstorbner, erfrorner Ball wie der Mond, in tiefer Finsternis und in immer engeren Bahnen um die ebenfalls erstorbne Sonne kreist und endlich hineinfällt. […] Und so wie unserm Sonnensystem ergeht es früher oder später allen andern Systemen unsrer Weltinsel, ergeht es denen aller übrigen zahllosen Weltinseln.“

Aber, so fragt Engels,
„wenn nun ein solches Sonnensystem seinen Lebenslauf vollbracht und dem Schicksal alles Endlichen, dem Tode verfallen ist, wie dann? Wird die Sonnenleiche in Ewigkeit als Leiche durch den unendlichen Raum fortrollen und alle die ehemals unendlich mannigfaltig differenzierten Naturkräfte für immer in die eine Bewegungsform der Attraktion aufgehn?“[32]Dialektik der Natur, S. 324.

Dies war für Engels ausgeschlossen, denn zu
„sagen, daß die Materie während ihrer ganzen zeitlos unbegrenzten Existenz nur ein einziges Mal und für eine ihrer Ewigkeit gegenüber verschwindend kurze Zeit in der Möglichkeit sich befindet, ihre Bewegung zu differenzieren und dadurch den ganzen Reichtum dieser Bewegung zu entfalten, und daß sie vor- und nachher in Ewigkeit auf bloße Ortsveränderung beschränkt bleibt – das heißt behaupten, daß die Materie sterblich und die Bewegung vergänglich ist. Die Unzerstörbarkeit der Bewegung kann nicht bloß quantitativ, sie muß auch qualitativ gefaßt werden“.

Also – schreibt Engels –
„müssen wir hier auf den Schöpfer rekurrieren, oder wir sind zu der Schlußfolgerung gezwungen, daß der glühende Rohstoff zu den Sonnensystemen unsrer Weltinsel auf natürlichem Wege erzeugt wurde, durch Bewegungsverwandlungen, die der sich bewegenden Materie von Natur zustehn, und deren Bedingungen also auch von der Materie, wenn auch erst nach Millionen und aber Millionen Jahren, mehr oder weniger zufällig, aber mit der auch dem Zufall inhärenten Notwendigkeit sich reproduzieren müssen.“[33]Dialektik der Natur, S. 325 f.

Und er schließt mit seiner Vision des Universums:
„Es ist ein ewiger Kreislauf, in dem die Materie sich bewegt, ein Kreislauf, […] worin nichts ewig ist als die ewig sich verändernde, ewig sich bewegende Materie und die Gesetze, nach denen sie sich bewegt und verändert. Aber wie oft und wie unbarmherzig auch in Zeit und Raum dieser Kreislauf sich vollzieht; wieviel Millionen Sonnen und Erden auch entstehn und vergehn mögen; […] – wir haben die Gewißheit, daß die Materie in allen ihren Wandlungen ewig dieselbe bleibt, daß keins ihrer Attribute je verlorengehn kann, und daß sie daher auch mit derselben eisernen Notwendigkeit, womit sie auf der Erde ihre höchste Blüte, den denkenden Geist, wieder ausrotten wird, ihn anderswo und in andrer Zeit wieder erzeugen muß.“[34]Dialektik der Natur, S. 326 f. Es ist diese Notwendigkeit, mit der der „denkende Geist“ immer wieder erzeugt werden muss, gegen die der Biologe und Nobelpreisträger Jacques Monod (1910-1976) … Continue reading.

Diesen Glauben an die Ewigkeit von Materie und Bewegung[35]Diese Ansicht war damals bei den naturwissenschaftlichen Materialisten durchaus Allgemeingut. So schreibt auch Ludwig Büchner in seinem Buch „Kraft und Stoff“, „daß die Welt nicht erschaffen … Continue reading kann man ja philosophisch durchaus vertreten. Etwas Anderes ist es aber, diesen Glauben auch den Physikern zu verordnen.

Der Atomismus

Engels ging ganz selbstverständlich von einem atomistischen Weltbild aus, wie es bereits die alten Griechen kannten, nun aber auf dem Kenntnisstand der zeitgenössischen Naturwissenschaft. Und das, obwohl der erste physikalische Beweis für die Existenz von Atomen erst im Jahre 1905 Albert Einstein (1879-1955) durch seine Arbeit über statistische Schwankungserscheinungen (wie z.B. die Brownsche Bewegung) gelang. So wurde die Existenz von Atomen zwischenzeitlich von namhaften Naturwissenschaftlern sogar bezweifelt (z. B. von Wilhelm Ostwald (1853-1932) und Ernst Mach (1838-1916)).

Der Äther

Dem Stand der zeitgenössischen Wissenschaft entsprechend hatte Engels auch keine Zweifel an der Existenz des Äthers. So fragte er sich:
„Was füllt die Zwischenräume [zwischen den Atomen und Molekülen RS] aus? Dito Äther. Hier also Postulat einer Materie, die nicht in Molekular- oder Atomzellen gegliedert ist.“[36]Dialektik der Natur, S. 546.

Auch die Widersprüchlichkeit des Ätherkonzeptes war Engels nicht entgangen:
„Wenn der Äther überhaupt Widerstand leistet, so muß er auch dem Licht Widerstand leisten und damit auf eine gewisse Entfernung dem Licht undurchdringlich sein. Daß aber der Äther das Licht fortpflanzt, sein Medium ist, schließt notwendig ein, daß er auch dem Licht Widerstand leistet, sonst könnte das Licht ihn nicht in Schwingungen versetzen.“[37]Dialektik der Natur, S. 547 (Hervorh. im Original).

Auf die Frage: „Ist der Äther materiell?“ antwortete Engels im Brustton der Überzeugung:
„Wenn er überhaupt ist, muß er materiell sein, unter den Begriff der Materie fallen. Aber er hat keine Schwere.“[38]Dialektik der Natur, S. 509 f. (Hervorh. Im Original).

Die Energieerhaltung

Ganz besonders begeistert begrüßte Engels die Entdeckung der Energieerhaltung:
Mayer in Heilbronn und Joule in Manchester wiesen [1842 RS] den Umschlag von Wärme in mechanische Kraft und von mechanischer Kraft in Wärme nach. […] Gleichzeitig bewies Grove[39]Sir William Robert Grove (1811-1896) war ein britischer Jurist und Physikochemiker, der 1843 in mehreren Vorlesungen, die 1846 veröffentlicht wurden (Grove 1846), das allgemeine Prinzip der … Continue reading – kein Naturforscher von Profession, sondern ein englischer Advokat – durch einfache Verarbeitung der bereits erreichten einzelnen physikalischen Resultate die Tatsache, daß alle sog. physikalischen Kräfte, mechanische Kraft, Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, ja selbst die sog. chemische Kraft, unter bestimmten Bedingungen die eine in die andre umschlagen, ohne daß irgendwelcher Kraftverlust stattfindet […]. Die Physik war, wie schon die Astronomie, bei einem Resultat angekommen, das mit Notwendigkeit auf den ewigen Kreislauf der sich bewegenden Materie als Letztes hinwies.“[40]Dialektik der Natur, S. 318.

Die Physik kann natürlich keine Aussage darüber treffen, ob die Erhaltung der Energie ewig gilt, das war der Schluss des Philosophen.

Die Evolution

Als weitere Bestätigung ihrer materialistischen Philosophie sah Engels den Nachweis an, dass die chemischen Gesetze auch für die belebte Welt gelten:
„Durch Herstellung von bisher nur im lebenden Organismus erzeugten Verbindungen auf anorganischem Wege wies sie [die Chemie RS] nach, daß die Gesetze der Chemie für organische Körper dieselbe Gültigkeit haben wie für unorganische, und füllte sie einen großen Teil der noch nach Kant auf ewig unüberschreitbaren Kluft zwischen unorganischer und organischer Natur aus.“[41]Dialektik der Natur, S. 318. Dieser Teil (Einleitung) wurde 1875/76 geschrieben (s. ebd., S. 693). Friedrich Wöhler (1800-1882) gelang es als Erstem organische Substanzen aus anorganischen … Continue reading

Engels war zudem der Meinung, dass sich die Lebensbausteine von selbst aus anorganischer Materie bilden, wenn die dafür notwendigen Bedingungen vorliegen. Damit wandte er sich gegen die Ansicht der Vitalisten, die in den Lebewesen eine Art „Lebenskraft“ am Werke sahen. Engels behauptete stattdessen:
„Gleicht sich endlich die Temperatur [auf der Erde RS] so weit aus, daß sie wenigstens an einer beträchtlichen Stelle der Oberfläche die Grenzen nicht mehr überschreitet, in denen das Eiweiß lebensfähig ist, so bildet sich, unter sonst günstigen chemischen Vorbedingungen, lebendiges Protoplasma.[42]Protoplasma ist ein veralteter Ausdruck für den gelartigen Inhalt jedweder Zelle. Nach Ansicht der Vitalisten war hierin gleichzeitig die Lebenskraft enthalten, die das Wesen der Lebewesen ausmachte. Welches diese Vorbedingungen sind, wissen wir heute noch nicht […].“[43]Dialektik der Natur, S. 322.

Diese Vorbedingungen sind auch heute noch nicht restlos geklärt. Dass die ersten Lebewesen sich vor etwa 4 Mrd. Jahren aus anorganischen und organischen Stoffen von selber bildeten, ist heute aber wissenschaftlicher Konsens. Auch die folgenden Ausführungen sind heute wissenschaftliches Allgemeingut, wenn auch immer noch nicht geklärt ist, auf welchem Wege aus den Biomolekülen die ersten Zellen entstanden sind:
„Es mag Jahrtausende gedauert haben, bis die Bedingungen eintraten, unter denen der nächste Fortschritt geschehn und dies formlose Eiweiß durch Bildung von Kern und Haut die erste Zelle herstellen konnte. Aber mit dieser ersten Zelle war auch die Grundlage der Formbildung der ganzen organischen Welt gegeben; zuerst entwickelten sich […] zahllose Arten zellenloser und zelliger Protisten […], und wovon einige allmählich zu den ersten Pflanzen, andre zu den ersten Tieren sich differenzierten. Und von den ersten Tieren aus entwickelte[…] sich […] zuletzt die Form, in der das Nervensystem zu seiner vollsten Entwicklung kommt, die der Wirbeltiere, und wieder zuletzt unter diesen das Wirbeltier, in dem die Natur das Bewußtsein ihrer selbst erlangt – der Mensch.“[44]Dialektik der Natur, S. 322. Der Text wurde 1875 oder 1876 niedergeschrieben (s. ebd., S. 693). Zu diesem Zeitpunkt kannte Engels die Werke von Darwin schon seit langem (s.u.).

Darwin

Engels hatte die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882) geradezu euphorisch begrüßt, war dies doch ein weiterer Beleg dafür, dass die biologischen Arten auch nicht unveränderlich sind. Außerdem war es ein schwerer Schlag gegen die Vorstellung einer einmaligen Schöpfung.

Charles Darwins epochemachendes Hauptwerk „On the Origin of Species“ war am 24. November 1859 erschienen. Engels hatte sich offenbar umgehend ein Exemplar besorgt und sofort studiert. Denn schon Anfang Dezember schrieb er völlig begeistert an seinen Freund:
„Übrigens ist der Darwin, den ich jetzt grade lese, ganz famos. Die Teleologie[45]Die Lehre von den Zweckursachen. war nach einer Seite hin noch nicht kaputt gemacht, das ist jetzt geschehn. Dazu ist bisher noch nie ein so großartiger Versuch gemacht worden, historische Entwicklung in der Natur nachzuweisen, und am wenigsten mit solchem Glück. Die plumpe englische Methode muß man natürlich in den Kauf nehmen.“[46]Brief von Engels an Marx vom 11. oder 12. Dezember 1859 (MEW 29, S. 524). Mit der „plumpen englischen Methode“ meinte Engels den typischen englischen Empirismus.

Und Marx schrieb ein Jahr später, nachdem er
„Darwins Buch über „Natural Selection“ [gelesen hatte, RS]. Obgleich grob englisch entwickelt, ist dies das Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält.“[47]Marx an Engels am 19. Dezember 1860 (MEW 30, S. 131).

Und an Lassalle schrieb er die Lobeshymne:
„Sehr bedeutend ist Darwins Schrift und paßt mir als naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes. Die grob englische Manier der Entwicklung muß man natürlich mit in den Kauf nehmen. Trotz allem Mangelhaften ist hier zuerst der „Teleologie“ in der Naturwissenschaft nicht nur der Todesstoß gegeben, sondern der rationelle Sinn derselben empirisch auseinandergelegt.“[48]Marx an Ferdinand Lassalle am 16. Januar 1861 (MEW 30, S. 578).

Die Wertschätzung von Darwin durch Engels ging soweit, dass er diesen sogar in der Begräbnisrede für seinen Freund im Jahre 1883 erwähnte:
„Am 14. März, nachmittags ein Viertel vor drei, hat der größte lebende Denker aufgehört zu denken. […] Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte“.[49]Friedrich Engels: Das Begräbnis von Karl Marx (MEW 19, S. 335).

Damit stellte Engels Darwin, der ja ein Jahr zuvor verstorben war, mit Marx – dem „größte[n] lebende[n] Denker“ – auf eine Stufe.

Aber auch Marx schätze Darwin außerordentlich, so hatte er ihm 1873 den ersten Band des „Kapitals“ geschickt, wofür Darwin sich artig bedankt hatte.[50]S. Lucas 1964, S. 436 und S. 464 f.

Anfängliche Ablehnung des „Kampfs ums Dasein“

Was Engels lange kategorisch ablehnte, war die „Beweismethode“ von Darwins Theorie: den „Kampf ums Dasein“, wie aus einem Brief vom November 1875 an den russischen Revolutionär Pjotr Lawrow (1823-1900) hervorgeht:
„1. Ich akzeptiere von der Darwinschen Lehre die Entwicklungstheorie, nehme aber D[arwin]s Beweismethode (struggle for life, natural selection) nur als ersten, provisorischen, unvollkommenen Ausdruck einer neuentdeckten Tatsache an. […] 3. […] Die ganze darwinistische Lehre vom Kampf ums Dasein ist einfach die Übertragung der Hobbesschen Lehre vom bellum omnium contra omnes [Kampf aller gegen alle RS] und der bürgerlich-ökonomischen von der Konkurrenz, nebst der Malthusschen Bevölkerungstheorie, aus der Gesellschaft in die belebte Natur.“[51]Brief von Engels an Lawrow vom 12. November 1875 (MEW 34, S. 169 f.). Lawrow hatte Engels eine Veröffentlichung von ihm über Darwin geschickt und um Engels’ Meinung dazu gebeten.

Marx sah dies genauso, wie aus einem Brief an Engels hervorgeht:
„Es ist merkwürdig, wie Darwin unter Bestien und Pflanzen seine englische Gesellschaft mit ihrer Teilung der Arbeit […] und Malthusschem „Kampf ums Dasein“ wiedererkennt. Es ist Hobbes‘ bellum omnium contra omnes, und es erinnert an Hegel in der „Phänomenologie“, wo die bürgerliche Gesellschaft als „geistiges Tierreich“, während bei Darwin das Tierreich als bürgerliche Gesellschaft figuriert.“[52]Marx an Engels am 18. Juni 1862 (MEW 30, S. 249; Hervorheb. im Original).

Als Eugen Dührings dieselben Vorwürfe gegen Darwin erhob, wie Marx und Engels zuvor, nimmt Engels Darwin nun aber in Schutz, indem er schreibt: Es
„sieht doch jeder auf den ersten Blick, daß man keine Malthus-Brille braucht, um den Kampf ums Dasein in der Natur wahrzunehmen – den Widerspruch zwischen der zahllosen Menge von Keimen, die die Natur verschwenderisch erzeugt, und der geringen Anzahl von ihnen, die überhaupt zur Reife kommen können; einen Widerspruch, der sich in der Tat größtenteils in einem – stellenweise äußerst grausamen – Kampf ums Dasein löst.“[53]Anti-Dühring, S. 64.

Und Engels erklärte nun den Begriff „Kampf ums Dasein“ auch ganz so, wie Darwin ihn gemeint hatte, indem er schrieb:
„Diese Ursachen [für die Evolution RS] fand er in dem Mißverhältnis zwischen der ungeheuren Zahl der von der Natur geschaffenen Keime und der geringen von wirklich zur Reife gelangenden Organismen. Da nun aber jeder Keim zur Entwicklung strebt, so entsteht notwendig ein Kampf ums Dasein, der nicht bloß als direkte, körperliche Bekämpfung oder Verzehrung, sondern auch als Kampf um Raum und Licht, selbst bei Pflanzen noch, sich zeigt. Und es ist augenscheinlich, daß in diesem Kampfe diejenigen Individuen am meisten Aussicht haben, zur Reife zu gelangen und sich fortzupflanzen, die irgendeine, noch so unbedeutende, aber im Kampf ums Dasein vorteilhafte individuelle Eigentümlichkeit besitzen.“[54]Anti-Dühring, S. 63.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Leicht veränderte Fassung eines Aufsatzes, den der Autor unter dem nämlichen Titel in folgendem Sammelband veröffentlicht hat: Lebenswerk Welterbe. Aspekte von Industriekultur und Industriearchäologie, von Wissenschafts- und Technikgeschichte. Festschrift für Helmuth Albrecht zum 65. Geburtstag. Hrsg. Von Norman Pohl, Michael Farrenkopf und Friederike Hansell. Berlin, Diepholz: GNT-Verlag 2020, S. 259-274.
2 Hierzu gehörten u.a. David Friedrich Strauß (1808-1874), Bruno Bauer (1809-1882), Max Stirner (1806-1856) und Ludwig Feuerbach (1804-1872).
3 Besonders deutlich wird diese Herangehensweise in den beiden Schriften, die Marx in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ veröffentlichte: „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, in: MEW 1, S. 378-391) und „Zur Judenfrage“ (MEW 1, S. 347-377).
4 „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ (MEW 1, S. 499-524), die ebenfalls in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ erschien, und vor allem natürlich „Die Lage der arbeitenden Klasse in England.“ (MEW 2, S. 225-506).
5 Die erste Frucht seiner Beschäftigung mit der Nationalökonomie, die erst lange nach seinem Tod veröffentlicht wurde, atmet noch vollständig den Geist der Spekulation: „Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahr 1844“ (MEW 40, S. 465-588).
6 Seine wichtigste Veröffentlichung auf diesem Gebiet ist zweifellos „Das Kapital, Erster Band“ aus dem Jahre 1867 (MEW 23, S. 1-802). Es war gleichzeitig Marx’ letzte derartige Veröffentlichung. Die Bände 2 und 3 (MEW 24, S. 7-518 und 25, S. 5-919) stellte Engels aus Manuskripten von Marx unter starken editorischen Eingriffen nach dessen Tode zusammen. Ansonsten gab es noch einige wenige kleinere ökonomische Veröffentlichungen, wie z. B. „Zur Kritik der politischen Ökonomie, Erstes Heft“ von 1859 (MEW 13, S. 1-160). Alles andere erschien posthum oder wird erst noch erscheinen.
7 „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ (MEW 21, S. 293) (im folgenden zitiert als: Engels: Feuerbach). Den heute gebräuchlichen Begriff des „dialektischen Materialismus“ haben Marx und Engels nie benutzt. Ob Engels die philosophischen Vorstellungen von Marx korrekt dargestellt hat, wird hier nicht untersucht. Es kann aber festgestellt werden, dass die Beschreibung der Marxschen Philosophie von Friedrich Engels stammt, weshalb der Marxismus – zumindestens zu einem bedeutenden Teil – richtiger Marxismus-Engelsismus heißen müsste.
8 Friedrich Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft.“ („Anti-Dühring“) (MEW 20, S. 1-303) (im folgenden zitiert als: Anti-Dühring) und Engels: Feuerbach, S. 259-307.
9 Friedrich Engels: „Dialektik der Natur.“ (MEW 20, S. 305-570) (im folgenden zitiert als: Dialektik der Natur).
10 Anti-Dühring und Dialektik der Natur.
11 Ebd., S. 275.
12 Engels: Feuerbach, S. 275.
13 Materialismus-Streit 2012.
14 Engels: Feuerbach, S. 291 ff.
15 Dialektik der Natur, S. 331 f.
16 Ein anderer Begriff hierfür, den Engels häufig benutzt, ist „Polarität“ oder „Kampf und Einheit der Gegensätze“.
17 Kann auch als Dreischritt These-Antithese-Synthese aufgefasst werden.
18 Dialektik der Natur, S. 348.
19 Dialektik der Natur, S. 334, S. 502 (Hervorheb. im Original, RS).
20 Engels: Feuerbach, S. 268.
21 Ignorabimus-Streit 2007. In seiner Gliederung für das geplante Buch über die „Dialektik der Natur“ findet sich unter 6. der Gliederungspunkt: „Die Grenzen des Erkennens. Du Bois-Reymond und Nägeli.-Helmholtz, Kant, Hume.“ (Dialektik der Natur, S. 307; zu Nägeli s.a. ebd. S. 550 ff.).
22 Anti-Dühring, S. 24.
23 Anti-Dühring, S. 11.
24 Alle Zitate aus Anti-Dühring, S. 20 f.
25 Man könnte auch sagen, dass aus These und Antithese die Synthese entstand.
26 Anti-Dühring, S. 22.
27 Engels: Feuerbach, S. 295.
28 Dialektik der Natur, S. 320.
29 In naturwissenschaftlichen Fragen beraten hat Marx und Engels ihr Freund, der deutsche Chemiker Carl Schorlemmer (1834-1892), der seit 1874 Professor für Organische Chemie in Manchester und seit 1889 Mitglied der SPD war.
30 Immanuel Kant (1724-1804) hatte die Theorie, wonach Sterne und Planeten aus einem Urnebel entstanden seien, 1755 veröffentlicht. Dies wurde jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Dies änderte sich als 40 Jahre später der Astronom Pierre-Simon Laplace (1749-1827) eine ähnliche Theorie entwickelte. Über 100 Jahre war diese Theorie allgemein anerkannt, bis Zweifel daran auftauchten. Mit Modifikationen versehen ist sie aber seit den 1960er Jahren wieder allgemein anerkannt. Schon seit einigen Jahrzehnten kann man ja Sternentstehungsprozesse in verschiedenen Stadien beobachten.
31 Dialektik der Natur, S. 313-318.
32 Dialektik der Natur, S. 324.
33 Dialektik der Natur, S. 325 f.
34 Dialektik der Natur, S. 326 f. Es ist diese Notwendigkeit, mit der der „denkende Geist“ immer wieder erzeugt werden muss, gegen die der Biologe und Nobelpreisträger Jacques Monod (1910-1976) polemisierte, indem er argumentiert, dass die Entstehung des Menschen äußerst unwahrscheinlich gewesen sei (s. Monod 1975
35 Diese Ansicht war damals bei den naturwissenschaftlichen Materialisten durchaus Allgemeingut. So schreibt auch Ludwig Büchner in seinem Buch „Kraft und Stoff“, „daß die Welt nicht erschaffen sein kann, [sondern] daß sie ewig ist.“ (Hervorh. im Original, RS). Im Anschluss zitiert er Carl Vogt mit der Feststellung: „Die Materie ist unerschaffbar, wie sie unzerstörbar ist.“ (zitiert nach Materialismus-Streit 2012, S. 181).
36 Dialektik der Natur, S. 546.
37 Dialektik der Natur, S. 547 (Hervorh. im Original).
38 Dialektik der Natur, S. 509 f. (Hervorh. Im Original).
39 Sir William Robert Grove (1811-1896) war ein britischer Jurist und Physikochemiker, der 1843 in mehreren Vorlesungen, die 1846 veröffentlicht wurden (Grove 1846), das allgemeine Prinzip der Energieerhaltung postulierte (s.a. DSB, Vol. 5, S. 560). In Deutschland ist dies heute kaum bekannt. Hier gilt Hermann von Helmholtz (1821-1894) als derjenige, der den Energieerhaltungssatz verallgemeinert hat. Die Abhandlung von Helmholtz stammt aber erst aus dem Jahre 1847 (Helmholtz 1847).
40 Dialektik der Natur, S. 318.
41 Dialektik der Natur, S. 318. Dieser Teil (Einleitung) wurde 1875/76 geschrieben (s. ebd., S. 693). Friedrich Wöhler (1800-1882) gelang es als Erstem organische Substanzen aus anorganischen Ausgangsprodukten zu erzeugen. Im Jahre 1824 gelang ihm dies mit der Oxalsäure und im Jahre 1828 mit dem Harnstoff, was ungleich bekannter ist.
42 Protoplasma ist ein veralteter Ausdruck für den gelartigen Inhalt jedweder Zelle. Nach Ansicht der Vitalisten war hierin gleichzeitig die Lebenskraft enthalten, die das Wesen der Lebewesen ausmachte.
43 Dialektik der Natur, S. 322.
44 Dialektik der Natur, S. 322. Der Text wurde 1875 oder 1876 niedergeschrieben (s. ebd., S. 693). Zu diesem Zeitpunkt kannte Engels die Werke von Darwin schon seit langem (s.u.).
45 Die Lehre von den Zweckursachen.
46 Brief von Engels an Marx vom 11. oder 12. Dezember 1859 (MEW 29, S. 524). Mit der „plumpen englischen Methode“ meinte Engels den typischen englischen Empirismus.
47 Marx an Engels am 19. Dezember 1860 (MEW 30, S. 131).
48 Marx an Ferdinand Lassalle am 16. Januar 1861 (MEW 30, S. 578).
49 Friedrich Engels: Das Begräbnis von Karl Marx (MEW 19, S. 335).
50 S. Lucas 1964, S. 436 und S. 464 f.
51 Brief von Engels an Lawrow vom 12. November 1875 (MEW 34, S. 169 f.). Lawrow hatte Engels eine Veröffentlichung von ihm über Darwin geschickt und um Engels’ Meinung dazu gebeten.
52 Marx an Engels am 18. Juni 1862 (MEW 30, S. 249; Hervorheb. im Original).
53 Anti-Dühring, S. 64.
54 Anti-Dühring, S. 63.