Auf dieser Seite sind die Zusammenfassungen der biografischen Beiträge über Moses Heß (1812-1875) eingestellt, nachdem die entsprechenden Beiträge veröffentlicht wurden.

Bisher sind erschienen:

Die Bedeutung von Moses Heß, Teil I

Die Bedeutung von Moses Heß, Teil II

 

Moses Heß stammte wie Karl Marx aus einer Familie mit langer Rabbiner-Tradition und wie bei Engels war sein Vater erfolgreicher Fabrikant. Er wurde jüdisch-orthodox von seinem Großvater erzogen. Obwohl er zwei Jahre an der Universität Bonn studierte, war er ähnlich wie Engels im wesentlichen Autodidakt. Mit 25 Jahren veröffentlichte er anonym sein erstes Buch, worin er eine Heilsgeschichte in Hegelscher Manier ausgehend von der jüdischen und christlichen Offenbarung und der Aufklärung beschrieb. Darin schilderte er, dass die Menschheit wieder in ein Zeitalter ohne Privateigentum eintreten werde und damit die Entfremdung des Menschen aufgehoben würde. Eine Gesellschaft von Freien und Gleichen, in der Allen Alles gehört, würde entstehen. Gleichzeitig würde die „patriarchalische“ Gesellschaft, die aus der kommunistischen Urgesellschaft durch die Einführung des Eigentums entstanden war, und die „Ehesklaverei“ beendet und die Kindererziehung der Allgemeinheit überlassen. Hiermit hatte er das erste kommunistische Programm in Deutschland formuliert. Die Ideen stammten zwar größtenteils von den französischen Frühsozialisten, aber die Leistung von Heß bestand darin, diese Überlegungen mit der Philosophie der Junghegelianer verknüpft zu haben, für die der Begriff der Entfremdung und ihre Aufhebung zentral waren.

1841 veröffentlichte Heß ebenfalls anonym „Die europäische Triarchie“, in der er herausstellte, dass die deutsche Philosophie, die französische Politik und die englische Praxis letztlich dasselbe Ziel hätten – den Kommunismus. Hierin kann man in der Tradition von Kant einmal die Vision des friedlichen Zusammenlebens der freien europäischen Länder, wie sie heute verwirklicht ist, sehen. Andererseits ist dies natürlich auch einer der Quellen, die die marxistische Idee der Weltrevolution gespeist hat. Außerdem ist bemerkenswert, dass die Vorstellung, dass die europäischen Völker gemeinsam die Reaktion, deren Hort er in Russland sah, besiegen müssten, vielen aus jüdischer Tradition stammenden Deutschen gemeinsam war. Man denke hier an Heinrich Heine, Ludwig Börne, Saul Asher und natürlich Karl Marx. Die Ursache lag darin, dass die jüdischen Mitbürger durch die französische Besetzung von vielen Einschränkungen befreit wurden. So lehnten sie von Anfang an den gegen die Franzosen gerichteten deutschen Nationalismus ab.

In der „Triarchie“ forderte Heß auch schon eine „Philosophie der That“. Also eine Philosophie, die die Welt nicht nur „interpretiert“, sondern auch „verändert“, wie Marx es wenig später in seinen berühmten Feuerbach-Thesen fordern sollte.

1843 war er Gründungsmitglied der Redaktion der radikal-demokratischen „Rheinischen Zeitung“ in Köln, zu der er auch Karl Marx holte. Den Herausgebern war Heß jedoch zu kommunistisch, so dass sie den weniger radikalen Marx zum Chefredakteur ernannten. In dieser Zeit dürfte der Austausch der beiden sehr eng gewesen sein.

In dieser Zeit bekehrte Heß Engels zum Kommunismus. Bei Marx hatte er damit erstmal keinen Erfolg, sondern erst im Pariser Exil 1843/44. Dabei übernahm er auch die Vorstellung vom eigentumslosen Proletariats als Befreier der Menschheit von Heß. Einzig mit der „Diktatur des Proletariats“, die Marx und Engels ja später vehement forderten, wollte Heß sich nie anfreunden. Der enge Gedankenaustausch von Marx und Heß lässt sich auch daran erkennen, dass beide fast gleichzeitig einen Aufsatz veröffentlichten, in dem sie sich zu antisemitischen Äußerungen hinreißen ließen. Bei Marx viel das Wort vom „Schacherjuden“, Heß sprach sogar von „Blutsaugern“.

Die Denkweisen von Marx und Heß ähnelten sich nun sehr – im Gegensatz zu denen von Marx und Engels. Marx und Heß waren spekulative Junghegelianer, die nach der Aufhebung der Entfremdung des Menschen suchten. Heß war nun auch zum Atheisten geworden, was Marx bereits zuvor gewesen war.

Engels gelang es, Marx und Heß von der entscheidenden Bedeutung der Nationalökonomie für das Verständnis des Kapitalismus und dessen Entwicklung zu überzeugen. Die drei arbeiteten auch zusammen an der „Deutschen Ideologie“. Aber bereits hierin gab es erste Angriffe auf Moses Heß und die „wahren Sozialisten“. Die inhaltlichen Gründe waren nur vorgeschoben und die kritisierten Meinungen entsprachen nicht den tatsächlichen Ansichten von Moses Heß. Der wahre Grund des Zerwürfnisses von Marx und Engels auf der einen und Moses Heß auf der anderen Seiten, hatte eher persönliche Gründe. Heß wandte sich vehement gegen die erfolgreichen Versuche, Kommunisten mit anderen Meinungen aus dem „Bund der Kommunisten“ zu drängen. Auch eine Affäre von Engels mit der Lebensgefährtin von Moses Heß, Sybille Pesch, dürfte nicht zur Verbesserung der Atmosphäre beigetragen haben.

Kurz vor der Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifestes“ durch Marx und Engels veröffentlichte Heß eine Artikelserie, in der er ganz ähnliche Gedanken äußerte, bis hin zur wörtlichen Übereinstimmung. Man kann deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass der Marxismus von drei Männern geschaffen wurde: zuvörderst von Engels, dann von Heß und zum geringsten Anteil durch den Namensgeber.

Im Gegensatz zu Marx und Engels, die Heß niemals verziehen, dass er gegen sie Partei ergriffen hatte, war Heß nicht nachtragend. Trotz aller Distanz zu Marx und Engels blieb er Zeit seines Lebens ein Bewunderer, insbesondere von Marx, dessen „Kapital“ er in den höchsten Tönen lobte.

Die Zeit der 1848er Revolution verbrachte Heß im Ausland. Er blieb aber der Arbeiterbewegung eng verbunden. So wurde er zu einem Anhänger von Ferdinand Lassalle, der 1863 die Vorläuferorganisation der SPD gegründet hatte. Nach dem Tode von Lassalle schloss er sich der Arbeiterpartei um August Bebel und Wilhelm Liebknecht an und nahm auch an zwei Weltkongressen der Ersten Internationalen teil.

In dieser Zeit kam er zu der Erkenntnis, dass die Assimilation der Juden in Deutschland scheitern könnte, weil es nicht die Religion sei, die abgelehnt würde, sondern die „Nasen“. 1862 veröffentlichte er seine Vision von einem sozialistischen Judenstaat in Palästina, der auch die Araber von der Türkenherrschaft befreien und für alle übrigen Länder ein Fanal darstellen sollte.

Trotz der Wertschätzung durch einige wenige spätere Anhänger von Marx und Engels, wie z.B. Mehrung und Bernstein, wurde er von den orthodoxen Marxisten – wenn sie ihn überhaupt der Erwähnung für wert erachteten – als „Reaktionär“ gebrandmarkt. In Israel wird seiner noch dankbar als eines Vorläufers des Zionismus gedacht.