Auf dieser Seite werden die Zusammenfassungen der Beiträge über die Philosophie von Karl Marx und Friedrich Engels eingestellt, nachdem die entsprechenden Beiträge veröffentlicht wurden.

Bisher sind erschienen:

Der „dialektische Materialismus“ – die Philosophie von Marx und Engels

Die Entstehung des dialektischen Materialismus

Die Philosophie von Marx und Engels, deren Systematisierung von Engels stammt, wird als „dialektischer Materialismus“ bezeichnet. Engels hat die Entstehung dieses Denkgebäudes folgendermaßen dargestellt: Ursprünglich war Marx ein Anhänger von Hegels dialektischem Idealismus, was ohne Zweifel den Tatsachen entspricht. Die Lektüre von Ludwig Feuerbachs Werk „Vom Wesen des Christenthums“ habe Marx dann „momentan“ vom Materialismus überzeugt. Die besondere Leistung von Marx lag nach Engels nun darin, den Materialismus von Feuerbach mit der Hegelschen Dialektik verbunden zu haben, womit er die „materialistische Dialektik“ geschaffen habe.

Die Lektüre der frühen Schriften von Marx und Engels zeigt, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entspricht. Dennoch hat Engels damit eine langlebige Legende geschaffen, obwohl er es natürlich besser hätte wissen müssen. Er hat aber mit dieser Legende nicht nur seine eigene Rolle herunter gespielt, sondern mit Ausnahme von Hegel und Feuerbach auch die aller anderen Personen, die eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung des philosophischen Weltbildes seines Freundes gespielt haben. Diese werden nun in den folgenden Beiträgen wieder ins rechte Licht gerückt.

Marx und die Junghegelianer

Karl Marx und Bruno Bauer entwickelten sich in enger Zusammenarbeit zu Atheisten und Marx wurde dabei zu einem „spekulativen Materialisten“, der von bestimmten Grundprinzipien ausgehend Schlüsse zog, die für die Realität zu gelten hätten. Wie bei anderen „Junghegelianer“ auch setzte sich bei Bruno Bauer bei der Beschäftigung mit dem Neuen Testament immer mehr die Erkenntnis durch, dass dieses keine Offenbarung Gottes und damit der hegelschen Idee sein könne, sondern eine Schöpfung von Menschen. Daraus zog Ludwig Feuerbach – ebenfalls ein „Junghegelianer“ – den Schluss, dass Gott selber eine Schöpfung des Menschen sei. Damit war Gott dem Menschen gegenüber keine fremde Macht mehr. Diese Erkenntnis war es, die Marx an Feuerbach elektrisierte, und nicht dessen Materialismus, wie Engels behauptet hatte. Denn damit hatte dieser die Entfremdung des Menschen von Gott aufgehoben, denn dieser war nun ein Teil des Menschen selbst und Ausdruck des „Gattungswesens“. Nun hoffte Marx, dass es möglich sein müsse, auch andere Entfremdungen des Menschen aufzuheben – die Entfremdung von der Natur, vom „Gattungswesen“, vom Menschen, von sich selber und von der Arbeit. Den Weg, wie das geschehen und wer das bewerkstelligen könnte, wurde Marx dann von Moses Hess gewiesen.

Der dritte Mann: Die Bedeutung von Moses Heß für die Entstehung des Marxismus, Teil I und Teil II

Moses Heß (1812-1875) stammte wie Karl Marx aus einer Familie mit langer Rabbiner-Tradition und wie bei Engels war sein Vater erfolgreicher Fabrikant. Er wurde jüdisch-orthodox von seinem Großvater erzogen. Obwohl er zwei Jahre an der Universität Bonn studierte, war er ähnlich wie Engels im wesentlichen Autodidakt. Mit 25 Jahren veröffentlichte er anonym sein erstes Buch, worin er eine Heilsgeschichte in Hegelscher Manier ausgehend von der jüdischen und christlichen Offenbarung und der Aufklärung beschrieb. Darin schilderte er, dass die Menschheit wieder in ein Zeitalter ohne Privateigentum eintreten werde und damit die Entfremdung des Menschen aufgehoben würde. Eine Gesellschaft von Freien und Gleichen, in der Allen Alles gehört, würde entstehen. Gleichzeitig würde die „patriarchalische“ Gesellschaft, die aus der kommunistischen Urgesellschaft durch die Einführung des Eigentums entstanden war, und die „Ehesklaverei“ beendet und die Kindererziehung der Allgemeinheit überlassen. Hiermit hatte er das erste kommunistische Programm in Deutschland formuliert. Die Ideen stammten zwar größtenteils von den französischen Frühsozialisten, aber die Leistung von Heß bestand darin, diese Überlegungen mit der Philosophie der Junghegelianer verknüpft zu haben, für die der Begriff der Entfremdung und ihre Aufhebung zentral waren.

1841 veröffentlichte Heß ebenfalls anonym „Die europäische Triarchie“, in der er herausstellte, dass die deutsche Philosophie, die französische Politik und die englische Praxis letztlich dasselbe Ziel hätten – den Kommunismus. Hierin kann man in der Tradition von Kant einmal die Vision des friedlichen Zusammenlebens der freien europäischen Länder, wie sie heute verwirklicht ist, sehen. Andererseits ist dies natürlich auch einer der Quellen, die die marxistische Idee der Weltrevolution gespeist hat. Außerdem ist bemerkenswert, dass die Vorstellung, dass die europäischen Völker gemeinsam die Reaktion, deren Hort er in Russland sah, besiegen müssten, vielen aus jüdischer Tradition stammenden Deutschen gemeinsam war. Man denke hier an Heinrich Heine, Ludwig Börne, Saul Asher und natürlich Karl Marx. Die Ursache lag darin, dass die jüdischen Mitbürger durch die französische Besetzung von vielen Einschränkungen befreit wurden. So lehnten sie von Anfang an den gegen die Franzosen gerichteten deutschen Nationalismus ab.

In der „Triarchie“ forderte Heß auch schon eine „Philosophie der That“. Also eine Philosophie, die die Welt nicht nur „interpretiert“, sondern auch „verändert“, wie Marx es wenig später in seinen berühmten Feuerbach-Thesen fordern sollte.

1843 war er Gründungsmitglied der Redaktion der radikal-demokratischen „Rheinischen Zeitung“ in Köln, zu der er auch Karl Marx holte. Den Herausgebern war Heß jedoch zu kommunistisch, so dass sie den weniger radikalen Marx zum Chefredakteur ernannten. In dieser Zeit dürfte der Austausch der beiden sehr eng gewesen sein.

In dieser Zeit bekehrte Heß Engels zum Kommunismus. Bei Marx hatte er damit erstmal keinen Erfolg, sondern erst im Pariser Exil 1843/44. Dabei übernahm er auch die Vorstellung vom eigentumslosen Proletariats als Befreier der Menschheit von Heß. Einzig mit der „Diktatur des Proletariats“, die Marx und Engels ja später vehement forderten, wollte Heß sich nie anfreunden. Der enge Gedankenaustausch von Marx und Heß lässt sich auch daran erkennen, dass beide fast gleichzeitig einen Aufsatz veröffentlichten, in dem sie sich zu antisemitischen Äußerungen hinreißen ließen. Bei Marx viel das Wort vom „Schacherjuden“, Heß sprach sogar von „Blutsaugern“.

Die Denkweisen von Marx und Heß ähnelten sich nun sehr – im Gegensatz zu denen von Marx und Engels. Marx und Heß waren spekulative Junghegelianer, die nach der Aufhebung der Entfremdung des Menschen suchten. Heß war nun auch zum Atheisten geworden, was Marx bereits zuvor gewesen war.

Engels gelang es, Marx und Heß von der entscheidenden Bedeutung der Nationalökonomie für das Verständnis des Kapitalismus und dessen Entwicklung zu überzeugen. Die drei arbeiteten auch zusammen an der „Deutschen Ideologie“. Aber bereits hierin gab es erste Angriffe auf Moses Heß und die „wahren Sozialisten“. Die inhaltlichen Gründe waren nur vorgeschoben und die kritisierten Meinungen entsprachen nicht den tatsächlichen Ansichten von Moses Heß. Der wahre Grund des Zerwürfnisses von Marx und Engels auf der einen und Moses Heß auf der anderen Seiten, hatte eher persönliche Gründe. Heß wandte sich vehement gegen die erfolgreichen Versuche, Kommunisten mit anderen Meinungen aus dem „Bund der Kommunisten“ zu drängen. Auch eine Affäre von Engels mit der Lebensgefährtin von Moses Heß, Sybille Pesch, dürfte nicht zur Verbesserung der Atmosphäre beigetragen haben.

Kurz vor der Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifestes“ durch Marx und Engels veröffentlichte Heß eine Artikelserie, in der er ganz ähnliche Gedanken äußerte, bis hin zur wörtlichen Übereinstimmung. Man kann deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass der Marxismus von drei Männern geschaffen wurde: zuvörderst von Engels, dann von Heß und zum geringsten Anteil durch den Namensgeber.

Im Gegensatz zu Marx und Engels, die Heß niemals verziehen, dass er gegen sie Partei ergriffen hatte, war Heß nicht nachtragend. Trotz aller Distanz zu Marx und Engels blieb er Zeit seines Lebens ein Bewunderer, insbesondere von Marx, dessen „Kapital“ er in den höchsten Tönen lobte.

Die Zeit der 1848er Revolution verbrachte Heß im Ausland. Er blieb aber der Arbeiterbewegung eng verbunden. So wurde er zu einem Anhänger von Ferdinand Lassalle, der 1863 die Vorläuferorganisation der SPD gegründet hatte. Nach dem Tode von Lassalle schloss er sich der Arbeiterpartei um August Bebel und Wilhelm Liebknecht an und nahm auch an zwei Weltkongressen der Ersten Internationalen teil.

In dieser Zeit kam er zu der Erkenntnis, dass die Assimilation der Juden in Deutschland scheitern könnte, weil es nicht die Religion sei, die abgelehnt würde, sondern die „Nasen“. 1862 veröffentlichte er seine Vision von einem sozialistischen Judenstaat in Palästina, der auch die Araber von der Türkenherrschaft befreien und für alle übrigen Länder ein Fanal darstellen sollte.

Trotz der Wertschätzung durch einige wenige spätere Anhänger von Marx und Engels, wie z.B. Mehrung und Bernstein, wurde er von den orthodoxen Marxisten – wenn sie ihn überhaupt der Erwähnung für wert erachteten – als „Reaktionär“ gebrandmarkt. In Israel wird seiner noch dankbar als eines Vorläufers des Zionismus gedacht.

Das Frühwerk von Karl Marx und Friedrich Engels

Das Frühwerk von Marx und Engels umfasst den Zeitraum von 1841 bis 1846. In diesem Zeitraum entwickelte sich Marx dank der Überzeugungsarbeit von Friedrich Engels, mit dem er seit 1844 eng befreundet war, von einem spekulativen Junghegelianer im Gefolge von Bruno Bauer zu einem spekulativen Ökonomen. Marx mauserte sich währenddessen zudem von einem Radikaldemokraten zu einem Kommunisten, wofür Moses Heß verantwortlich war. Mit den beiden Gemeinschaftswerken „Die heilige Familie“ und die „Deutsche Ideologie“ war ihr geistiger Findungsprozess im Großen und Ganzen abgeschlossen und die Grundlagen des späteren „Marxismus“ im wesentlichen gelegt.

Folgende Beiträge über die frühen Werke von Marx und Engels liegen bereits vor:

1841: Die Dissertation von Karl Marx

Die „Deutsch-Französischen Jahrbücher“

1843: Karl Marx: „Zur Judenfrage“
1844: Karl Marx: „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“
1843/44: Friedrich Engels: „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“

Exkurs zum Materialismus

Die Idee des Materialismus stammt aus der griechischen Antike und wurde während der Aufklärung im Frankreich des 18. Jahrhunderts wieder populär. In Deutschland stand dagegen der Idealismus in höchster Blüte, der seinen Höhepunkt mit Hegel erreichte. Obwohl diese spekulative Herangehensweise an die Welt von den Naturwissenschaftlern ab den 1830er Jahren zunehmend abgelehnt wurde, hatte sie z.B. bei Johann Wilhelm Ritter, Hans Christian Ørsted und Julius Robert Meyer auch zu Erkenntnissen über die Natur geführt.

Der Materialismus wurde in Deutschland durch Ludwig Feuerbach im Rahmen der Religionskritik benutzt, während andere, wie z.B. Carl Vogt, Ludwig Büchner und Jakob Moleschott, aus den Naturwissenschaften kommend diesen auf die Natur anwandten. Um die Jahrhundertmitte tobte in Deutschland ein regelrechter „Materialismus-Streit“, da befürchtet wurde, dass der Materialismus die Grundlagen von Staat und Religion untergraben würde. Schließlich setzte sich die heute weit verbreitete Meinung durch, dass Religion und Naturwissenschaften zwei unabhängige Welten sind. Dies beinhaltete einerseits die Meinung, dass es unmöglich ist, mittels der Vernunft die Existenz Gottes zu beweisen oder zu widerlegen. Anderseits wurde damit anerkannt, dass die Bibel keine wissenschaftlichen Aussagen über die Natur liefern kann.

An dieser Debatte nahmen Marx und Engels nicht teil. Ja, sie ignorierten sie weitgehend, wie auch die übrigen Materialisten mit Ausnahme von Feuerbach, obwohl ihre Grundgedanken zumindest mit denen von Engels sehr viele Übereinstimmungen besaßen. Die Hauptkritik von Engels an den anderen Materialisten war, dass sie mit dem Idealismus Hegels auch dessen Dialektik über Bord geworfen hätten.

Friedrich Engels und die Naturwissenschaften

Für Friedrich Engels waren die Naturwissenschaften die „Probe auf die Dialektik“, weil er der Meinung war, dass sich die Naturwissenschaftler der dialektischen Methode bedienen müssten, wenn sie die Bewegungsgesetze der Natur ergründen wollten, weil die Natur selbst sich dialektisch verhält. Gleichzeitig waren für Engels die Erfolge der Naturwissenschaften in der Erkenntnis der Natur der Beweis, dass – wenn auch weitestgehend unbewusst – genau dies geschehen war. Die Welt wurde nun nicht mehr statisch erklärt, sondern war in stetem Wandel begriffen, wie es die Kosmologie und besonders die Darwinsche Evolutionstheorie zeigten. Gleichzeitig hatte das Energieerhaltungsgesetz bewiesen, dass vormals isolierte Formen der Energie sich ineinander verwandeln können.

Obwohl Friedrich Engels die Entwicklung der Naturwissenschaften ganz zutreffend dargestellt und prognostiziert hat, ist der „dialektische Materialismus“ für die Entwicklung der Naturwissenschaft ohne große Bedeutung geblieben. Und das, obwohl er in den realsozialistischen Ländern sogar die herrschende Ideologie darstellte. Woran hat das gelegen? In der Anfangsphase hat die Naturwissenschaftler sicher das revolutionäre Pathos abgeschreckt, das mit dieser Philosophie verbunden war. Nachdem sie sich dann immer mehr zu einem starren Dogma entwickelt hatte, war sie für den Aufbruch ins Neue, wie es für die Naturwissenschaften ja so typisch ist, gänzlich ungeeignet.