Zusammenfassung

Die Denkweisen von Marx und Heß ähnelten sich nun sehr – im Gegensatz zu denen von Marx und Engels. Marx und Heß waren spekulative Junghegelianer, die nach der Aufhebung der Entfremdung des Menschen suchten. Heß war nun auch zum Atheisten geworden, was Marx bereits zuvor gewesen war.

Engels gelang es, Marx und Heß von der entscheidenden Bedeutung der Nationalökonomie für das Verständnis des Kapitalismus und dessen Entwicklung zu überzeugen. Die drei arbeiteten auch zusammen an der „Deutschen Ideologie“. Aber bereits hierin gab es erste Angriffe auf Moses Heß und die „wahren Sozialisten“. Die inhaltlichen Gründe waren nur vorgeschoben und die kritisierten Meinungen entsprachen nicht den tatsächlichen Ansichten von Moses Heß. Der wahre Grund des Zerwürfnisses von Marx und Engels auf der einen und Moses Heß auf der anderen Seiten, hatte eher persönliche Gründe. Heß wandte sich vehement gegen die erfolgreichen Versuche, Kommunisten mit anderen Meinungen aus dem „Bund der Kommunisten“ zu drängen. Auch eine Affäre von Engels mit der Lebensgefährtin von Moses Heß, Sybille Pesch, dürfte nicht zur Verbesserung der Atmosphäre beigetragen haben.

Kurz vor der Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifestes“ durch Marx und Engels veröffentlichte Heß eine Artikelserie, in der er ganz ähnliche Gedanken äußerte, bis hin zur wörtlichen Übereinstimmung. Man kann deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass der Marxismus von drei Männern geschaffen wurde: zuvörderst von Engels, dann von Heß und zum geringsten Anteil durch den Namensgeber.

Im Gegensatz zu Marx und Engels, die Heß niemals verziehen, dass er gegen sie Partei ergriffen hatte, war Heß nicht nachtragend. Trotz aller Distanz zu Marx und Engels blieb er Zeit seines Lebens ein Bewunderer, insbesondere von Marx, dessen „Kapital“ er in den höchsten Tönen lobte.

Die Zeit der 1848er Revolution verbrachte Heß im Ausland. Er blieb aber der Arbeiterbewegung eng verbunden. So wurde er zu einem Anhänger von Ferdinand Lassalle, der 1863 die Vorläuferorganisation der SPD gegründet hatte. Nach dem Tode von Lassalle schloss er sich der Arbeiterpartei um August Bebel und Wilhelm Liebknecht an und nahm auch an zwei Weltkongressen der Ersten Internationalen teil.

In dieser Zeit kam er zu der Erkenntnis, dass die Assimilation der Juden in Deutschland scheitern könnte, weil es nicht die Religion sei, die abgelehnt würde, sondern die „Nasen“. 1862 veröffentlichte er seine Vision von einem sozialistischen Judenstaat in Palästina, der auch die Araber von der Türkenherrschaft befreien und für alle übrigen Länder ein Fanal darstellen sollte.

Trotz der Wertschätzung durch einige wenige spätere Anhänger von Marx und Engels, wie z.B. Mehrung und Bernstein, wurde er von den orthodoxen Marxisten – wenn sie ihn überhaupt der Erwähnung für wert erachteten – als „Reaktionär“ gebrandmarkt. In Israel wird seiner noch dankbar als eines Vorläufers des Zionismus gedacht.

Die Lage der Juden in Deutschland im 19. Jahrhundert

Kindheit und Jugend von Moses Heß und die Einstellung der Juden zu Frankreich und Deutschland

Die ersten Veröffentlichungen des jungen Heß

Zusammenarbeit mit Karl Marx

Annäherung der Standpunkte: Heß wird Atheist und Marx Kommunist

Aus den Veröffentlichungen der beiden Freunde aus den Jahren 1843/44 kann man jedenfalls entnehmen, dass sich ihre jeweiligen Standpunkte angenähert hatten. Marx war nun auch Kommunist geworden[1]So bezeichnet Engels „Dr. Marx“ im November 1843 als Kommunisten (Engels, Friedrich: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent.“ In: „The New Moral World“ Nr. 19 vom 4. … Continue reading und Heß verzichtete auf jegliche Gottheit. Marx’ Sinneswandel lässt sich an seinen beiden Aufsätzen in den Jahrbüchern ablesen. Als Lohn für diese weitere Radikalisierung ließ die preußische Regierung einen Haftbefehl auf Marx ausstellen.

Die Denkweisen von Marx und Heß ähnelten sich ja auch zuvor schon sehr – im Gegensatz zu denen von Marx und Engels. Beide waren spekulative Junghegelianer, die nach der Aufhebung der Entfremdung des Menschen suchten. Beide waren Anhänger von Feuerbach, dem es gelungen war, die Entfremdung des Menschen gegenüber Gott aufzuheben, indem er in Gott eine Schöpfung des Menschen erkannt hatte und nicht ein dem Menschen fremd gegenüberstehendes Wesen. Und so erscheint es folgerichtig, dass Marx den Weg, auf dem Heß die Entfremdungen des Menschen gegenüber sich selber, den anderen Menschen, dem Gattungswesen, der Natur und der Arbeit glaubte, aufheben zu können, übernahm. Moses Heß hatte nämlich auf die sozialistischen Vorstellungen aus Frankreich die deutsche spekulative Philosophie aufgepfropft und glaubte, dadurch erkannt zu haben, dass die Aufhebung der Entfremdung durch die Aufhebung des Privateigentums erreicht werden könnte. Genau diese Ansicht hat Marx ab 1844 ebenfalls vertreten. So erscheint es sehr wahrscheinlich, dass es diese philosophische Deutung des französischen Kommunismus im Sinne der junghegelianischen Entfremdungsdiskussion war, die Marx den Kommunismus schließlich doch noch schmackhaft machte, insofern Heß ihn als die logische Konsequenz aus der Anwendung der Überlegungen von Feuerbach auf die wirkliche Welt dargestellt hatte. Und auch das Subjekt, das diese Entfremdung beseitigen würde, hatte Heß schon auf dem Silbertablett präsentiert: das Proletariat, das als eigentumslose Klasse das Privateigentum, den Staat und damit jegliche Entfremdung durch die kommunistische Revolution aufheben werde.

Diese spekulative Herangehensweise missfiel Engels von Anfang an. Schon 1844 hatte er seine Vorbehalte Marx gegenüber geäußert. Es macht das psychologische Geschick von Engels aus, dass er die Kritik, die sich zu dem Zeitpunkt ja gleichermaßen gegen Marx richtete, nur auf Heß gemünzt hat, so dass Marx sich nicht angegriffen fühlen musste:

„Heß hat in vielem, was er über Feuerb[ach] sagt, recht, aber auf der andern Seite scheint er noch einige idealistische Flausen zu haben – wenn er auf theoretische Dinge zu sprechen kommt, geht es immer in Kategorien voran, und daher kann er auch nicht populär schreiben, weil er viel zu abstrakt ist. Daher haßt er auch allen und jeden Egoismus, und predigt Menschenliebe usw., was wieder auf die christliche Aufopferung herauskommt. Wenn aber das leibhaftige Individuum die wahre Basis, der wahre Ausgangspunkt ist für unsren ‚Menschen‘, so ist auch selbstredend der Egoismus – natürlich nicht der Stirnersche Verstandesegoismus allein, sondern auch der Egoismus des Herzens – Ausgangspunkt für unsre Menschenliebe, sonst schwebt sie in der Luft.“[2]Brief von Engels an Marx vom 19. November 1844 (MEW 27, S. 12, Hervorh. im Original).

Es war eine der erstaunlichsten Leistungen von Engels, Marx zumindest vordergründig von diesem spekulativen Weg abgebracht zu haben und ihn auf den Pfad der trockenen Ökonomie zu führen, mit deren Hilfe die durch reine Spekulation gewonnenen Schlussfolgerungen nun „wissenschaftlich“ untermauert werden sollten. Und auch dies wurde Engels möglicherweise durch Heß erleichtert, der glaubte aus dem utopischen Sozialismus der Franzosen den „wissenschaftlichen Sozialismus“ der deutschen Philosophie entwickelt zu haben und der auch schon die grundlegende Bedeutung der Ökonomie erkannt hatte.[3]Wie eine teilweise Vorwegnahme des „Kommunistischen Manifestes“ auf ökonomischem Gebiet wirken die Aufsätze, die er unter dem Titel „Die Folgen einer Revolution des Proletariats“ Ende des … Continue reading

Das erste öffentliche Bekenntnis zur proletarischen Revolution, mit der die Entfremdung durch das Privateigentum aufgehoben werden würde, legte Marx in seinem Artikel „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, der in den Jahrbüchern im Februar 1844 erschien, ab. Ebenso spekulativ wie Moses Heß zog er nun seine dialektischen Schlüsse:

“Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnung verkündet, so spricht es nur das Geheimnis seines eignen Daseins aus, denn es ist die faktische Auflösung dieser Weltordnung. Wenn das Proletariat die Negation des Privateigentums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Prinzip erhoben hat, was in ihm als negatives Resultat der Gesellschaft schon ohne sein Zutun verkörpert ist. […]

Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigenWaffen, und sobald der Blitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehn.“

„Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie.“[4]Marx: Rechtsphilosophie, Einleitung, in: MEW 1, S. 391 (Hervorh. Im Orignial, RS).

Wie aufs Stichwort fand dann im Juni der schlesische Weberaufstand statt. Dazu hatte Arnold Ruge einen Artikel im Vorwärts, eine in Paris von 1844 bis 1845 erscheinende deutschsprachige Wochenzeitung, veröffentlicht.[5]Der Artikel von Arnold Ruge war am 27. Juli 1844 unter der Überschrift „Der König von Preußen und die Sozialreform“ mit der Unterschrift „Ein Preuße“ erschienen (MEW 1, S. 610, Anm. 160). … Continue reading Hierin kritisierte er die Maßnahmen des Königs als unzureichend, hatte aber auch den Aufstand in seiner Bedeutung nicht erkannt – wie Marx in seinem Antwortartikel mit beißender Ironie feststellte. Die Freunde hatten sich entzweit, nachdem Marx Kommunist geworden war. Und wie kurz zuvor auch Bruno Bauer wurden gerade die ehemaligen engen Weggefährten von Marx besonders scharf von ihm angegriffen, wenn sie einem gedanklichen Schwenk von ihm nicht folgen wollten oder sich gar kritisch darüber äußerten.

In seinem Antwortartikel sah Marx seine Prophezeiungen voll und ganz bestätigt, wenn er schreibt:

daß kein einziger der französischen und englischen Arbeiteraufstände einen so theoretischen und bewußten Charakter besaß wie der schlesische Weberaufstand.“

Und weiter:

„Der schlesische Aufstand beginnt grade damit, womit die französischen und englischen Arbeiteraufstände enden, mit dem Bewußtsein über das Wesen des Proletariats. Die Aktion selbst trägt diesen überlegenen Charakter. Nicht nur die Maschinen, diese Rivalen des Arbeiters, werden zerstört, sondern auch die Kaufmannsbücher, die Titel des Eigentums, und während alle andern Bewegungen sich zunächst nur gegen den Industrieherrn, den sichtbaren Feind kehrten, kehrt sich diese Bewegung zugleich gegen den Bankier, den versteckten Feind. Endlich ist kein einziger englischer Arbeiteraufstand mit gleicher Tapferkeit, Überlegung und Ausdauer geführt worden.“[6]MEW 1, S. 404 (Hervorh. im Original).

Das waren aus heutiger Sicht Schwärmereien eines Intellektuellen, der gerade seit einem halben Jahre Kommunist war und sich nun durch den Aufstand bestätigt sah. Auch wenn die Weber ja nun alles andere als Proletarier waren. Es waren vielmehr Heimarbeiter, die durch die von Proletariern bedienten englischen Webmaschinen dem Untergang geweiht waren. Marx hatte zu diesem Zeitpunkt weder Einblick in die Realität des Arbeitslebens noch Kontakt zur Arbeiterbewegung – im Gegensatz zu Friedrich Engels, der ihn bei ihrem Treffen wenige Tage später darüber aufklären sollte.

Dieses Unwissen erklärt auch die Begeisterungsstürme, zu denen sich Marx an derselben Stelle über den „Arbeiterphilosophen“ Wilhelm Weitling hinreißen ließ:

„Was den Bildungsstand oder die Bildungsfähigkeit der deutschen Arbeiter im allgemeinen betrifft, so erinnere ich an Weitlings geniale Schriften, die in theoretischer Hinsicht oft selbst über Proudhon hinausgehn, sosehr sie in der Ausführung nachstehen.“[7]MEW 1, S. 404 f. (Hervorh. im Original).

Auch hier sah er seine eigene Prophezeiung, dass sich Herz (Arbeiter) und Hirn (Philosophie) in Deutschland verbinden würden, um die Revolution zu bewerkstelligen, etwas verfrüht bestätigt. Kurze Zeit später werden sich Marx und Engels sehr abfällig über Weitlings „Handwerkerkommunismus“ äußern und ihn später auch aus dem von ihm mitgegründeten „Bund der Kommunisten“ hinausdrängen.[8]Zur Trennung von Weitling s. Koenen 2018, S. 311.

Der Sinneswandel von Heß wird deutlich an drei kleinen Aufsätzen in dem Sammelband „21 Bögen aus der Schweiz“, den Herwegh herausgab.[9]Herwegh 1843. Sie erschienen im Juli 1843 (siehe Cornu, Mönke 1961, S. XXXIV). Gleich im ersten – „Sozialismus und Communismus“ betitelt – spielen Gott und Religion schon keine Rolle mehr. Nun treibe „das Prinzip der Neuzeit, die absolute Einheit alles Lebens, welches sich in Deutschland als abstrakter Idealismus, in Frankreich als abstrakter Communismus manifestirt hatte, […] seinen concreten Inhalt aus sich heraus.“[10]Heß 1843a, S. 78. Somit entwickelten sich die Ideen aus sich selbst heraus. Die neuere Entwicklung begann mit dem Bekenntnis Johann Gottlieb Fichtes zum Atheismus, der damit die „Autonomie des Geistes“ ausgesprochen habe, während der Franzose Baboeuf[11]Der Franzose François Noël Babeuf (1760-1797) war einer der Ersten, der Ideen der Gleichheit realisieren wollte. Weil er an einem Aufstandsversuch gegen die Regierung beteiligt war, wurde er … Continue reading gleichzeitig den „Communismus“ oder präziser gesprochen die „Anarchie“ und damit „die Negation jeder politischen Herrschaft“ eingeführt habe.[12]Heß 1843a, S. 77. Auf der nächsten Stufe des Idealismus stehen in Deutschland Schelling und Hegel, auf der des Kommunismus in Frankreich St. Simon und Fourier.[13]Ebd., S. 78.

Daraus habe sich ergeben, dass die „absolut freie Persönlichkeit“ und die „absolute Gleichheit aller Personen in der Gesellschaft, keine Gegensätze mehr, sondern die beiden sich gegenseitig ergänzenden Momente eines und desselben Prinzips sind, des Prinzips der absoluten Einheit alles Lebens.“ Gesetze und eine Regierung hielt er nun in dieser idealen Gesellschaft für unnötig. Denn Fourier habe gezeigt, dass es gut und böse nicht gäbe, da jede Regung gut ist, wenn sie nur nicht durch äußere Hindernisse gehemmt […] wird, sondern vollkommen frei hervortreten und ihre Thätigkeit appliziren kann.“ Im französischen „Communismus“ – dem „Zustand der Gemeinschaft“ – sei „keine Religion denkbar“, „eben so ist umgekehrt im Atheismus, im Zustande der Geistesfreiheit, keine Politik denkbar.“[14]Heß 1843a, S. 80 f. (Hervorh. im Original). Hier postuliert auch Heß bereits das Verschwinden des Staates, von Gesetzen und damit auch von Demokratie.

Wie eng die Übereinstimmung der Ansichten von Heß und Marx und sehr wahrscheinlich auch der Gedankenaustausch zwischen den beiden um die Jahreswende 1843/44 war, kann man an den beiden Aufsätzen erkennen, in denen sich beide fast gleichzeitig über die Rolle der Juden im Wirtschaftsleben äußerten. Die parallel entstandenen Schriften zeigen deutlich antisemitische Klischees – und das, obwohl die Autoren die elende Lage der Juden zu dieser Zeit aus ihrem eigenen Erleben sehr gut gekannt haben dürften. Marx’ Aufsatz „Über die Judenfrage“ erschien in den „Jahrbüchern“. Heß hatte für eben diese Zeitschrift den Aufsatz „Über das Geldwesen“[15]Heß 1845; abgedruckt in Cornu, Mönke 1961, S. 329-248. Da außer der Doppelfolge der „Jahrbücher“ keine weiteren Ausgaben mehr erschienen, veröffentlichte Heß seinen Aufsatz dann an anderer … Continue reading beigesteuert, der Marx vielleicht auch schon vorlag, als er seinen Artikel schrieb, der dann dort aber nicht mehr erschien. Marx behauptete in seinem Artikel kategorisch:

„Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unsrer Zeit.

Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht. Sein religiöses Bewußtsein würde wie ein fader Dunst in der wirklichen Lebensluft der Gesellschaft sich auflösen.“[16]Marx: Judenfrage, in: MEW 1, S. 372 (Hervorh. im Original, RS).

„Der Jude hat sich auf jüdische Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die Juden haben sich insoweit emanzipiert, als die Christen zu Juden geworden sind.“[17]Ebd., S. 373 (Hervorh. im Original, RS).

Moses Heß stellte Juden in seiner Veröffentlichung sogar als Blutsauger dar, indem er schrieb: „der Gelddurst ist „nichts Anderes, als der Blutdurst des socialen Raubthieres“. Und dieses Raubthieraus der Menschheit zu entwickeln,“ war der welthistorische[…] Beruf“ des Juden“![18]Heß 1845, zitiert nach Cornu, Mönke 1961, S. 345.

Beide Darstellungen lassen den Leser heute an die entsprechende antisemitische Hetze der Nationalsozialisten denken.[19]Dieses Thema wird in weiteren Kapiteln näher untersucht. Aber auch in der damaligen Zeit muss der Vorwurf des „Blutdurst“es – vorgebracht von einem Juden gegenüber seinen Glaubensgenossen – sehr befremdlich gewirkt haben, denn die Damaskusaffäre[20]Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Damaskusaffäre., bei der Juden in Damaskus beschuldigt wurden, zwei Menschen ermordet zu haben, weil sie deren Blut für das bevorstehende Pessachfest benötigt hätten, lag erst fünf Jahre zurück. Verhaftungen, erfolterte Geständnisse und Ausschreitungen bis hin zu Ermordungen waren die Folge dieses Verdachtes, den ausgerechnet der französische Konsul vorgebracht hatte.

Auch Wolfgang Fritz Haug ist der Meinung, dass „Marx im pariser Exil entscheidende Anstöße von Moses Hess mit dessen 1844 für die Deutsch-Französischen Jahrbücher (DFJb) geschriebenem Artikel Über das Geldwesen“[21]HKWM („Kritik der politischen Ökonomie“), Band 8/I, Sp. 108. erhielt. Eine besonders wichtige Anregung war die Darstellung der Rolle des Geldes, vom dem Heß geschrieben hatte: „Das Geld ist das Product der gegenseitig entfremdeten Menschen, der entäußerte Mensch.“ Und weiter: „Der Krämerstaat […] ist das verheißene Gottesreich, die Krämerwelt das verheißene Himmelreich.“[22]Zitiert nach Cornu, Mönke 1961, S. 335 und 337.

Bei Feuerbach war Gott die Schöpfung des menschlichen Gattungswesens, der ihm als eigenständiges, fremdes Wesen gegenübertrat. Dieselbe Rolle nahm bei Heß nun das Geld ein, das dadurch zum Fetisch wurde. Diese Darstellung übernahm Marx und dehnte die Vorstellung später auf die Ware und ihren Fetischcharakter aus.

Für Heß spielten ökonomische Gründe als Begründung der Notwendigkeit des Kommunismus auch schon eine entscheidende Rolle, so entwickelte er in seiner besagten Schrift gewisse „Ahnungen der Rolle der Produktivkräfte in der Geschichte“[23]Cornu, Mönke 1961, S. XLV. und regte bei Marx damit entsprechende Überlegungen an, so dass die „Umrisse“ von Engels auf fruchtbaren Boden fielen. Zu diesem Zeitpunkt, als das Duo Heß und Marx erste Schritte in Richtung einer materialistischen Grundlegung des Kommunismus durch die Nationalökonomie machte, beschäftigte sich Engels bereits sehr intensiv mit der englischen Nationalökonomie und vor allem mit der realen Lage der arbeitenden Klassen auf der Insel.

 

Aus dem Duo entsteht ein Trio: Friedrich Engels kommt hinzu

Während Engels noch in England weilte, entspann sich ein Briefwechsel zwischen ihm und Marx. Leider sind diese Briefe nicht erhalten.[24]Der erste erhaltene Brief von Engels an Marx stammt vom Oktober 1844 (MEW 27, S. 5 ff.). Der erste erhaltene Brief von Marx an Engels vom 15. Mai 1847 (ebd., S. 82 f.). Der nächste Brief stammt vom … Continue reading Jürgen Herres ist der Meinung, bei der er sich auch auf Aussagen von Marx’ Schwiegersohn Lafargue aus dem Jahre 1904 beruft, dass Marx durch diesen Briefwechsel und die Artikel von Engels in den „Jahrbüchern“ zu seinen ökonomischen Studien veranlasst wurde, die ihren Niederschlag in den „Manuskripten von 1844″[25]Karl Marx: „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844“, in: MEW 40, S. 465-588. Diese wurden allerdings erst im Jahre 1932 zum ersten Mal veröffentlicht. gefunden haben.[26]Herres 2018, S. 46 f. Marx erwähnte die „Umrisse“ mehrmals lobend. 1880 schrieb er sogar, Engels habe darin „bereits einige allgemeine Prinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus formuliert“.[27]Karl Marx: Vorbemerkung zur französischen Ausgabe des Buches von Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (MEW 19, S. 181). Siehe auch Herres 2018, S. 31. In diesen „Manuskripten“ hatte sich Marx „zum ersten Mal zum Kommunismus bekannt“.[28]Gerber 2020, S. 53. Wie wir gesehen haben, hatte Marx in seinem Artikel „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, der im Februar 1844 veröffentlicht wurde, bereits vom … Continue reading

Auf der Rückreise von seinem zweijährigen Aufenthalt in Manchester mit dem Plan für „seine große Studie über die ‚Lage der arbeitenden Klasse in England’ im Gepäck“[29]Gerber 2020, S. 59 f. besuchte Engels seinen Brieffreund in Paris.[30]Zur Bedeutung von Engels für Marx und umgekehrt und die Wichtigkeit ihres Treffens siehe Gerber, Jan: Die große Symbiose: Marx und Engels in Paris. In: Engels Sozialdemokratie 2020, S. 53-72. Im Gegensatz zu diesem hatte er sehr viele Eindrücke gewonnen von den Zuständen in den Fabriken und Wohnungen der Arbeiter in Manchester, der damals wohl am stärksten durch den Frühkapitalismus geprägten Stadt der Welt. Auch persönliche Kontakte zur Arbeiterbewegung hatte er dort schon geknüpft. Er hatte sicherlich auch den besagten Artikel von Marx in den „Jahrbüchern“ gelesen, in dem dieser ganz spekulativ von den revolutionären Proletarien geschwärmt hatte. Den Autor wollte er jetzt näher kennenlernen und ausloten, welche Gemeinsamkeiten sich ergeben würden.

Seine Hoffnungen dürften weit übertroffen worden sein, auch wenn die spätere Behauptung von ihm, dass sie bei ihrer legendären Kneipentour im August 1844 ihre „vollständige inhaltliche Übereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten“[31]Engels: Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: MEW 21, S. 212. Der Text wurde über 40 Jahre später im Jahre 1885 geschrieben und veröffentlicht. festgestellt hätten, reichlich übertrieben erscheint. Aber Engels erkannte, dass es möglich sein könnte, ihre Ansichten anzugleichen und damit das „Unternehmen Weltrevolution“ zu begründen. Dies gelang tatsächlich in den nächsten Jahren mit dem spektakulären Ergebnis des „Kommunistischen Manifestes“ im Revolutionsjahr 1848. Das Treffen der beiden Revolutionäre begründete ihre lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit, die in der Geistesgeschichte ihresgleichen sucht. Nun war aus dem Duo Heß-Marx das Trio Heß-Marx-Engels geworden.

Wie eng die Zusammenarbeit von Engels auch mit Heß war, kann man an der gemeinsamen kommunistischen Agitation im Jahre 1845 in Elberfeld erkennen.[32]Engels hat mit Heß daheim in Elberfeld sehr zum Missfallen seines „Alten“ für den Kommunismus agitiert, wie er Marx stolz berichtete (Brief an Marx vom 17. März 1845, in: MEW 27, S. 26 f.). … Continue reading Heß wohnte sogar vorübergehend in Elberfeld und wollte mit Engels dort den „Gesellschaftsspiegel“ herausgeben.[33]Brief vom 20. Januar 1845 (MEW 27, S. 15). „Der Gesellschaftspiegel war eine einflussreiche gesellschaftskritische Zeitschrift des Vormärz.“ Sie wurde unter der Redaktion von Moses Heß … Continue reading Und Heß versuchte auch erfolgreich, den beiden auf dem ökonomischen Pfad zu folgen.

 

Aus drei mach zwei: das Zerwürfnis mit Heß

Engels gelang es innerhalb weniger Monate, Marx vom Pfad der jungheglianischen Spekulationen auf den der „wissenschaftlichen“ Begründung des Sozialismus durch die Nationalökonomie zu führen. Und Marx schwenkte nicht nur vollständig auf den von Engels vorgezeichneten Pfad ein, er ging sogar weiter als Engels selbst. Denn dieser hatte zwar die Bedeutung der Nationalökonomie erkannt, aber für ihn war sie eine „Bereicherungswissenschaft“, die aus dem System des „unwissenschaftlichen Schachers ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs“[34]Engels: Umrisse, in MEW 1, S. 499. gebildet hätte. Er erkannte zwar die Leistungen der „Bourgeoisie“ bei der Industrialisierung Englands an, aber noch seine „Lage der arbeitenden Klassen“ war eine einzige Anklage gegen seine eigene Klasse. Marx erkannte nun, dass in der Nationalökonomie der Beweis zu finden sein müsse für die historische Notwendigkeit des Kommunismus. Und im Kommunistischen Manifest sang er dann im Duett mit Engels das Hohelied der Bourgoisie, die über Leichen gehend der ganzen Welt den Fortschritt bringen und dabei gleichzeitig ihren Totengräber erschaffen würde – das Proletariat.

Heß erkannte zwar die grundlegende Bedeutung der Ökonomie durchaus an, behielt aber dennoch seine eigene Meinung, die trotz „der weitgehenden inhaltlichen und terminologischen Übereinstimmungen der Texte von Hess und Marx im Vormärz […] auch wesentliche Differenzen“[35]Rosen 1983, S. 173. aufwies, wie Zwi Rosen konstatierte. Und so kam es zur Entfremdung von Engels und Heß und dann auch von Marx und Heß.

Zwi Rosen hat die wesentlichen Differenzen wie folgt zusammengefasst: „Der wichtigste besteht darin, daß Marx diese Konzeptionen durch Einbeziehung der Erkenntnisse der englischen […], französischen […] und deutschen Nationalökonomen […] zu konkretisieren vermag und sie in eine empirische Analyse umsetzt, während Hess in den Grenzen einer metaphysisch-anthropologischen Auseinandersetzung mit Proudhon und Feuerbach bleibt.“[36]Rosen 1983, S. 158.

Eine weitere wesentliche Differenz „resultiert aus der abweichenden Einstellung zum Problem der Ethik. Im Gegensatz zu Marx’ Theorie enthält Hess’ Lehre eine normative Ethik, die er bewußt entwickelt, systematisch auslegt und […] als zentrale Komponente seiner Konzeption auffaßt.“[37]Rosen 1983, S. 174.

Einen eklatanter Unterschied sah Zwi Rosen auch darin, dass „Hess die eschatologischen und chiliastischen Motive seiner Lehre ganz offen darlegt, [während …] sie im Denken von Marx unter der Oberfläche verborgen“[38]Rosen 1983, S. 175. sind. Für Heß war der Sozialismus eine Heilsgeschichte und er ihr erster Prophet. Für Marx war es eine wissenschaftlich zu beweisende Tatsache.

Besonders stark war die Diskrepanz im Politischen und Persönlichen. Und daran zerbrach auch ihre Freundschaft letztlich: „Hess war in Sachen Organisation und Partei demokratisch eingestellt. Er war gegen autoritäre Strukturen“. Als Weitling ihm von den Auseinandersetzungen mit Marx im „Bund der Kommunisten“ berichtete, „nahm Hess Abschied von der Partei, obwohl er sich von Weitling oft distanziert und seine Positionen kritisiert hatte und eine persönliche Antipathie gegen ihn hegte.“

„Hess widersetzte sich der intoleranten und schroff autoritären Haltung von Marx auch später. Er mißbilligte die Art, die Marx im Umgang mit den Gesinnungsgenossen an den Tag legte. Dessen Forderung nach blindem Gehorsam und absoluter und bedingloser Unterwerfung konnte und wollte sich Hess nicht fügen. ‚Schade, jammerschade’, schrieb er über Marx, ‚daß das Selbstgefühl dieses unbestreitbar genialsten Mannes unserer Partei sich nicht mit der Anerkennung begnügt, die ihm verdientermaßen von allen denen, welche seine Leistungen kennen und zu würdigen verstehen, gezollt wird, sondern eine persönliche Unterwerfung zu fordern scheint, zu der ich wenigstens mich nie einem einzelnen gegenüber herablassen werden.’

Und nicht nur die persönliche Diktatur[39]Wie wichtig es den beiden frischgebackenen Kommunisten von Anfang an war, die „Superiorität“ gegenüber den altgedienten Genossen zu erringen, geht aus einem Brief von Engels an Marx vom 11. … Continue reading lehnte Hess ab […], sondern auch die Diktatur des Proletariats.“[40]Rosen 1983, S. 177. So im Entwurf einer Rede für den 4. Kongreß der 1. Internationale im Jahre 1869 in Basel.

Aber um die Jahreswende 1845/46 arbeiteten alle drei noch einträchtig zusammen an der „Deutschen Ideologie“[41]Hierzu wird es einen ausführlichen Beitrag geben., die allerdings erst posthum erschien, und kritisierten abweichende Meinungen in z.T. gemeinsamen Ausarbeitungen scharf. Während Heß Proudhon[42]Ebenso wie Marx – nur erheblich kürzer – verfaßte Heß eine Kritik des Werkes „Philosophie de la misère“ von Proudhon, die 1847 veröffentlicht wurde (Cornu, Mönke 1961, S. 397-400). … Continue reading in Grund und Boden kritisierte, mit Engels Arnold Ruge[43]„Moses Heß unter Mitwirkung von Karl Marx · Dottore Graziano’s Werke. Zwei Jahre in Paris, Studien und Erinnerungen von A. Ruge“ (MEGA I/5, S. 647-667, s.a. Cornu, Mönke 1961, S. 401-424; … Continue reading abkanzelte und den „wahren Sozialismus“ widerlegte,[44]„Moses Heß/Friedrich Engels · V. ‚Der Dr. Georg Kuhlmann aus Holstein’, oder die Prophetie des wahren Sozialismus.“ (MEGA I/5, S. 590-601, siehe auch MEW 3, S. 521-530). Auch das folgende … Continue reading wetterten Marx und vor allem wohl Engels in der gleichen Arbeit gegen Moses Heß als Anhänger des „wahren Sozialismus“[45]Wie so häufig bei den Beiden, ging auch bei Moses Heß die inhaltliche Kritik mit persönlich sehr herabsetzenden Äußerungen des Kritisierten in ihrem Briefwechsel einher. Siehe dazu z.B. die … Continue reading

Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese plötzliche inhaltliche Kritik an ihrem Freund dadurch ausgelöst oder zumindest verstärkt wurde, dass dieser sich sehr empört darüber geäußert hatte, dass Marx und Engels das Urgestein des Kommunismus in Deutschland, den von Marx kurz zuvor noch in den höchsten Tönen gelobten Schneidergesellen Wilhelm Weitling, aus dem von diesem gegründeten „Bund der Kommunisten“ hinausgedrängt hatten.[46]So schrieb Heß im Mai 1846 an Marx: „Ihr habt ihn [Weitling RS] ganz toll gemacht und wundert Euch nun darüber, daß er es ist. Ich mag nichts mehr mit der ganzen Geschichte zu tun haben; es ist … Continue reading

Die Kritik an Moses Heß in der „Deutschen Ideologie“ bestand vorerst „nur“ darin, dass „Heß […] die Entwicklung des französischen Sozialismus mit der Entwicklung der deutschen Philosophie“ synthetisiert hätte.[47]Marx, Engels: Deutsche Ideologie (MEW 3, S. 479). Cornu und Mönke halten Marx für den Schreiber dieses Abschnitts (Cornu, Mönke 1961, S. LXIII f.). Sowohl die Herausgeber der MEW (3, S. 473) als … Continue reading Sehr wahrscheinlich stammt diese Kritik von Engels, denn es war ja gerade diese Verquickung von französischem Kommunismus und deutscher Philosophie, mit der Heß Marx für den Kommunismus gewinnen konnte. Es war dieselbe Weltsicht, die Marx noch 1844/45 selber vertrat. Diese Position hatte Marx aber inzwischen dank Engels Überzeugungsarbeit verlassen. Nun betrieb er eine Art spekulative Ökonomie.

Im Jahre 1847 war die Kritik an Heß und „Consorten“ dann schon wesentlich radikaler. Nun sah Engels dessen Einstellung schlicht als „reaktionär“ an: „Der wahre Sozialismus hatte es fertiggebracht, die revolutionärsten Sätze, die je aufgestellt wurden, zu einem Schutzwall für den Morast des deutschen Status quo zu verwenden. Der wahre Sozialismus ist durch und durch reaktionär.“[48]Engels, Friedrich: „Der Status quo in Deutschland“, in: MEW 4, S. 42. Den Aufsatz schrieb Engels im März/April 1847 (s. ebd., S. 57). Veröffentlicht wurde er erst im Juli 1929 in der … Continue reading

Im Gegensatz zu Marx und Engels war Heß allerdings nicht nachtragend, wie aus den Briefen von Engels hervorgeht, worin er sich z.B. wunderte über ein „Wiederanknüpfungsschreiben des Kommunistenpapas“, in dem Heß so täte, „als ob nichts vorgefallen wäre“.[49]Engels an das „kommunistische Korrespondenz-Komitee“ vom 16. September 1846 (MEW 27, S. 44). Im Januar 1847 stellt Engels dann fest: „Der Mann hat sich sehr verändert.“ Und nach seinen folgenden Beschreibungen durchaus zum Positiven. So sei „eine befremdliche Bescheidenheit […] über ihn gekommen.“ Das alles hielt Engels aber nicht davon ab, ihn „so kalt und spöttisch [… zu behandeln], daß er keine Lust haben wird wiederzukommen. Das einzige, was ich für ihn tat, war einiger guter Rat für den Tripper, den er aus Deutschland mitgebracht hat.“ Zu diesem schroffen Verhalten hätten ihm dessen „eigner unveränderter Kern […] Mut“[50]Brief von Engels an Marx vom 15. Januar 1847 (MEW 27, S. 74). gegeben, womit wohl die Tatsache gemeint ist, dass Heß seine eigene Meinung behalten hatte.

Ende September 1847 berichtete Engels mit erstauntem Unterton, dass Heß ihn während einer Sitzung des „Bundes der Kommunisten“ verteidigt hätte.[51]Brief von Engels an Marx vom 28.-30. September 1847 (MEW 27, S. 88). Das hinderte Engels aber nicht daran, diesem bei einer der folgenden Sitzungen einen „höllischen Streich“ zu spielen, wie er seinem Freund mit diebischer Freude und unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitteilte: „Dem Mosi [Moses Heß RS] hab‘ ich, ganz unter uns, einen höllischen Streich gespielt.“ So habe dieser ein „gottvoll verbessertes Glaubensbekenntnis durchgesetzt.“ Er, Engels, habe es aber den anderen Mitglieder des „Bundes der Kommunisten“ madig machen können, so dass er sich ohne alle Opposition […] beauftragen [ließ], ein neues zu entwerfen“. Warnend fügte er hinzu: „Das darf aber natürlich kein Teufel merken, sonst werden wir alle abgesetzt, und es gibt einen Mordsskandal.“[52]MEW 27, S. 98 (Hervorh. im Original). S. a. Rosen 1983, S. 159.

Im November schlug Engels dann vor, dies „Glaubensbekenntnis“ „Kommunistisches Manifest zu nennen. Er hatte die wichtigsten „Grundsätze“[53]Friedrich Engels: „Grundsätze des Kommunismus“ (MEW 4, S. 361-380). Darin hatte er schon viele Punkte, die später im „Kommunistischen Manifest“ enthalten sein sollten, aufgeführt. Den … Continue reading auch schon niedergeschrieben und eine Gliederung parat.[54]MEW 27, S. 107.

Das „Glaubensbekenntnis“ von Moses Heß ist nicht überliefert. Aber es existiert ein Artikel unter der Überschrift „Rother Katechismus für das deutsche Volk“[55]Cornu, Mönke 1961, S. 445-457. aus dem Jahre 1849 oder 1850, in dem Moses Heß 75 Fragen zum Kommunismus beantwortet – ähnlich wie Engels in seinen „Grundsätzen“. Es gibt auch eine Artikelserie von ihm in der Deutsch-Brüsseler Zeitung, für die Marx und Engels auch schrieben. In vier Teilen hat er vom 14. Oktober bis 11. November 1847 – also exakt zu dem Zeitpunkt, an dem sich Marx und Engels daran machten, das Kommunistische Manifest zu schreiben – unter der Überschrift „Die Folgen einer Revolution des Proletariats“[56]Siehe Cornu, Mönke 1961, S. 425-444. Die Übereinstimmungen und Unterschiede dieses Textes mit dem „Kommunistischen Manifest“ werden in einem gesonderten Beitrag untersucht. nicht nur diese, sondern auch die Voraussetzungen und den Ablauf der Revolution geschildert. Er kam dabei im wesentlichen zu denselben – teilweise sogar in wörtlicher Übereinstimmung – Ergebnissen, wie die Beiden in ihrem „Manifest“.

Dies liest sich im „Manifest“ dann völlig anders. Darin wird den „wahren“ Sozialisten vorgeworfen, „der politischen Bewegung die sozialistischen Forderungen gegenüberzustellen, die überlieferten Anatheme gegen den Liberalismus, gegen den Repräsentativstaat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche Freiheit und Gleichheit zu schleudern und der Volksmasse vorzupredigen, wie sie bei dieser bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr alles zu verlieren habe.“[57]Marx, Engels: Kommunistisches Manifest (MEW 4, S. 487). D. h. der Vorwurf lautete, dass die „wahren Sozialisten“ die berechtigten Forderungen gegen die in Frankreich herrschende Bougeoisie in Deutschland gegen eine Bourgeoisie wendeten, die die Macht erst noch erkämpfen müsse, wobei sie die Kommunisten zu unterstützen hätten.

Und abschließend heißt es: „Mit sehr wenigen Ausnahmen gehört alles, was in Deutschland von angeblich sozialistischen und kommunistischen Schriften zirkuliert, in den Bereich dieser schmutzigen, entnervenden Literatur.“[58]Marx, Engels: Kommunistisches Manifest (MEW 4, S. 488). In der deutschen Ausgabe von 1890 legte Engels noch eine Schippe drauf und behauptete: „Der Revolutionssturm von 1848 hat diese gesamte … Continue reading Diese scharfen Vorwürfe entsprechen – auf jeden Fall soweit Heß gemeint war[59]Auch wenn in der Ausgabe von 1848 in diesem Zusammenhang kein Name genannt wurde (Erst über 40 Jahre später hat Engels einen Namen fallen lassen: „Der Revolutionssturm von 1848 hat diese gesamte … Continue reading – überhaupt nicht den Tatsachen und sind damit sehr unredlich.

Zwar hatte dieser die Befürchtung geäußert, dass die „lahme [bürgerliche] Opposition […] es zu keiner Revolution mehr“ bringen werde, aber, so betonte er ausdrücklich: „Daran sind […] nicht die deutschen Proletarier und Kommunisten schuld, die […] jeden Augenblick zu einer Revolution bereit sind, bei der sie nichts zu verlieren und nur zu gewinnen haben“. Schuld „daran ist vielmehr die ganze deutsche Misère […], welche, obgleich noch nicht reif genug zu einer Revolution, die vom Proletariat allein ausgehen muß, doch schon zu reif, überreif, faul und verdorben ist für jene, die nur aus der Vereinigung von Bourgeoisie und Proletariat hervorgehen kann.“[60]Cornu, Mönke 1961, S. 443.

Hieraus geht eindeutig hervor, dass die Vorwürfe, die Marx und Engels gegen die „wahren Sozialisten“ und damit in ersten Linie gegen Moses Heß vorbrachten, völlig haltlos waren. Mehr noch: Es gab zu diesem Zeitpunkt keine ernsthaften inhaltlichen Differenzen zwischen Marx und Engels auf der einen und Moses Heß auf der anderen Seite. Aber es gab einen gravierenden Unterschied in der Behandlung politisch Andersdenkender. Wie wir gesehen haben, grenzten sich Marx und Engels selbst von Kommunisten ab, wenn sie nicht exakt ihrer Meinung waren. Moses Heß war dagegen der Meinung, dass die „‚Spaltung im Lager der Demokraten’, d.h. der Gegensatz zwischen den politischen Demokraten, Sozialisten […] einerseits, und den Kommunisten andererseits, nur in der Einbildung jener Ersteren“ existiert.[61]Cornu, Mönke 1961, S. 438. Das bedeutet, dass Moses Heß trotz unterschiedlicher Meinungen ein Bündnis aller Menschen für möglich hielt, die die herrschenden Verhältnisse zugunsten von mehr Demokratie ändern wollten. Marx und Engels gingen den entgegengesetzten Weg, indem sie Menschen als „reaktionär“ beschimpften, die bis auf kleine Nuancen vollständig mit ihnen übereinstimmten.

Aber zu den politischen Meinungsverschiedenheiten gesellten sich just in diesem Moment auch noch persönliche Verletzungen hinzu. Aus dem Briefwechsel von Marx und Engels geht hervor, dass Engels eine Affäre mit der Lebensgefährtin von Moses Heß hatte. Diese hieß Sybille Pesch (1820-1903) und Heß hatte sie kurz zuvor in Köln kennengelernt. Sie war eine katholische Putzmacherin (Hutmacherin) und deshalb für seinen Vater als Ehepartnerin nicht akzeptabel, so dass Moses Heß sie erst heiratete, nachdem sein Vater im Jahre 1851 verstorben war.[62]Weiß 2015, S. 161. Schon in Köln hielt sich das Gerücht, sie habe als Prostituierte gearbeitet.[63]Siehe Weiß 2015, S. 97 ff.

Engels war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls mit einer des Lesens und Schreibens unkundigen Arbeiterin liiert – mit Mary Burns, die aber in Manchester verblieben war.[64]Siehe dazu Mettele 2011. Die standesbewusste Gattin von Marx, Jenny von Westfalen, lehnte beide Frauen ab.

Wann genau die Liason zwischen den beiden Gleichaltrigen stattgefunden hat, ist nicht ganz klar. Vielleicht schon auf der gemeinsamen Reise von Brüssel nach Paris im Jahre 1846, um die Heß Engels gebeten hatte, um seine Gefährtin ohne Pass nach Paris zu schleußen, wozu Engels sich widerwillig bereit erklärte.[65]Siehe dazu die Briefe von Engels an Marx (MEW 27, S. 30) und Marx und Engels an Moses Heß vom 27. Juli 1846 (MEW 27, S. 445). Auf jeden Fall erscheint die Behauptung von Engels, dass Heß und seine Partnerin diese in beiderseitigem Einvernehmen mit ihm verkuppeln wollten[66]Er hatte Marx gegenüber schon 1846 behauptet, dass Frau Heß ihren Gatten satt hätte und einen neuen suche (Brief von Engels an Marx vom 19. August 1846, MEW 27, S. 35). In einem Brief an das … Continue reading angesichts der Dramatik der nun folgenden Ereignisse höchst zweifelhaft. Engels berichtete darüber im Januar 1848 an seinen Freund: „Moses mit Pistolen drohend, in ganz Brüssel seine Hörner affichierend […] muß kostbar gewesen sein.“ Ihn habe die „Geschichte mit Mosi […] ungeheuer amüsiert, obwohl es mir ärgerlich war, daß sie auskam.“ Und voller Entrüstung fährt er fort: „Wenn übrigens der Esel auf seiner abgeschmackten Lüge von der Notzucht beharren sollte, so kann ich ihm mit früheren, gleichzeitigen und späteren Details aufwarten, darüber ihm Hören und Sehen vergehen soll. Hat mir doch diese Bileams Eselin noch verflossenen Juli hier in Paris eine mit Resignation vermischte Liebeserklärung in optima forma [in aller Form RS] gemacht und mir die allernächtlichsten Geheimnisse ihrer Menage anvertraut! Ihre Wut auf mich ist pure verschmähte Liebe.“ Und gönnerhaft schließt er den Bericht über das Eifersuchtsdrama unter Kommunisten mit dem Angebot: „Es steht ihm übrigens frei, an allen meinen gegenwärtigen, vergangnen und zukünftigen Mätressen seine Revanche zu nehmen, und empfehle ich ihm hierzu I. die flamändische Riesin, welche in meiner ehemaligen Wohnung […] wohnt und Mademoiselle Josephine heißt, und 2. eine Französin Mademoiselle Felicie […]. Es wäre Pech, wenn er bei keiner von beiden reüssierte. Teile ihm diese Renseignements gefälligst mit, damit er meine Aufrichtigkeit erkennt.“[67]Engels an Marx vom 14. Januar 1848 (MEW 27, S. 109 f.). Siehe dazu auch Weiß 2015, S. 137 f.

Angesichts dieser Aufregung kann man das Erstaunen von Engels gut nachvollziehen, als Moses Heß bei ihrem nächsten Zusammentreffen von einem Duell nichts mehr wissen wollte. Ganz perplex berichtete Engels seinem Freund: „Moses ist übrigens freundschaftlicher denn je – den Kerl begreif’ einer!“[68]Brief von Engels an Marx vom 18. März 1848 (MEW 27, S. 122).

Sicherlich hat Heß das „Kommunistische Manifest“, das ja den aufrüttelndsten und mitreißendsten kommunistischen Text überhaupt darstellt, ebenfalls gefallen. Und da er seine Inhalte und z.T. seine Formulierungen darin wiederfand, hat er es vielleicht gar nicht bemerkt, dass er bei der Abfassung von Engels ausgebotet worden war.

Wie im „Manifest“ prophezeit, brach kurze Zeit später die bürgerliche Revolution, mit der Heß nicht mehr gerechnet hatte, tatsächlich aus. Immerhin kam der Anstoß aus dem Westen, wie es Heß erwartet hatte, namentlich aus seinem geliebten Frankreich. An der Revolution in Deutschland konnte Heß sich zu seinem Leidwesen nicht beteiligen; er hat die ganze Zeit im Ausland verbracht.

Nach der Niederlage der Revolution kam es dann zu einem erneuten Konflikt, weil sich Heß der Fraktion von August Willich (1810-1878) und Karl Schapper (1812-1870) anschloss, „um Marx und Engels aus der Führung des Bundes der Kommunisten auszuschalten“[69]Rosen 1983, S. 8.. Diesen Affront haben die Beiden Heß niemals verziehen, zumal er auch in Zukunft bei seiner eigenen Meinung blieb und nicht zu Kreuze kroch oder entnervt das Weite suchte. Damit unterschied er sich von vielen anderen, die entweder in die USA auswanderten, wie Willich, wo sie aber durchaus auch noch der Bannstrahl der beiden Gralshüter der richtigen Lehre treffen konnte, wie z. B. Hermann Kriege[70]Karl Marx/Friedrich Engels: [Zirkular gegen Kriege] (MEW 4, S. 3-17). (1820-1850), sich zurückzogen oder wieder dem richtigen Propheten folgten, wie Karl Schapper.

Und trotz dieser Querelen prophezeite der als „Reaktionär“ Gebrandmarkte 1851 in dem Essay „Das Jüngste Gericht“ die kurz bevorstehende proletarische Revolution und feierte Karl Marx als deren revolutionären Führer. „Das klang ganz so, als habe es nie Streit gegeben. Diese Lorbeeren waren zweifellos eine noble Geste gegenüber dem ehemaligen Freund. Anders als Marx verstand es Hess offensichtlich, seine persönlichen Animositäten von der politischen Arbeit zu trennen“, urteilt Volker Weiß.[71]Weiß 2015, S. 163. Und trotz aller Angriffe von Marx und Engels gegen ihn blieb Heß Zeit seines Lebens ein Bewunderer, insbesondere von Marx, dessen „Kapital“ er 1868 den Arbeitern zur Lektüre empfahl.[72]Cornu, Mönke 1961, S. LXVIII.

 

Vater des Zionismus und der Sozialdemokratie: das weitere Leben von Moses Heß

Nachdem es in „den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts […] keine sozialistische oder radikale Zeitschrift und keine revolutionäre Organisation [gab], an der Hess nicht beteiligt war“[73]Siehe dazu Rosen 1983, S. 8., verlebte er in dem der Niederlage der Revolution folgenden Jahrzehnt ruhigere Zeiten im Exil in der Schweiz und Frankreich. Er gründete Zeitschriften und beschäftigte sich mit den Naturwissenschaften, wie es später Engels ebenfalls tun sollte. Er hielt Napoleon III. für eine List der Geschichte, um den Völkern Freiheit zu bringen, und blieb weiter auf Seiten Frankreichs, was natürlich Marx und Engels sehr missfiel, die Napoleon III. als Halunken und Erzreaktionär ansahen.[74]So sahen sie später in dem Deutsch-Französischen Krieg, den Bismarck durch eine raffinierte Provokation (Emser Depesche) von Napoleon III. ausgelöst hatte, „von deutscher Seite“ einen … Continue reading

Gegen Ende dieses Jahrzehnts war bei Moses Heß die Hoffnung auf eine erfolgreiche Revolution des Proletariats in Europa geschwunden, und er mag auch schon eine frühe Ahnung davon gehabt haben, dass die Assimilation der Juden in Deutschland scheitern könnte. Sicherlich konnte er sich keine Vorstellung davon machen, wie mörderisch sie scheitern würde. Aber er erkannte, dass es nicht die Religion war, die die Ablehnung hervorrief, so schrieb er in dem 1862 veröffentlichten Briefroman „Rom und Jerusalem“, in dem er die Vision von der Rückkehr der Juden ins Gelobte Land beschrieb: „Selbst die Taufe erlöst ihn [den Juden RS] nicht von dem Alpdruck des deutschen Judenhasses.“ Und prophetisch fährt er fort: „Die Deutschen hassen weniger die Religion der Juden als ihre Rasse, weniger ihren eigentümlichen Glauben, als ihre eigentümlichen Nasen.“[75]Zitiert nach Keßler 2020, S. 333. Er stellte sich den Judenstaat als demokratisches und sozialistisches Musterreich vor, das allen Menschen – auch und gerade den Arabern – als leuchtendes Vorbild und Fanal dienen sollte. Damit wurde er zum Urvater des Zionismus – über drei Jahrzehnte vor Theodor Herzls „Judenstaat“ – und der Kibbuz-Bewegung.[76]Weiß 2015, S. 170 ff.

Als Ferdinand Lassalle 1863 den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ (ADAV) – eine Vorläuferorganisation der SPD – gründete, suchte er nach Mitstreitern unter den Kämpfern von 1848. Heß ließ sich dazu bewegen, Bevollmächtigter für die Organisation in Köln zu werden. Dies war möglich, weil Preußen 1861 eine Amnestie für politisch Verfolgte erlassen hatte.[77]Weiß 2015, S. 175. Aber nach kurzer Zeit zog er sich wieder nach Frankreich zurück.[78]Weiß 2015, S. 186 ff. Nach dem Duell-Tod von Lassalle im Jahre 1864 entfremdete er sich zunehmend von der Partei, die er zu sehr auf nationalem Kurs im Dienste von Bismarck sah.

Stattdessen unterstützte er die Fraktion Bebel-Liebknecht und trat auch der von ihnen 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) bei. Bereits in den Jahren 1868 und 1869 hatte Heß als Delegierter am 3. und 4. Kongress der Ersten Internationalen teilgenommen, wo sich seine Wege wieder mit denen von Marx und Engels kreuzten.[79]S.a. Rosen 1983, S. 8. Er setzte große Erwartungen darauf, dass die Arbeiter der verschiedenen Länder den nächsten Krieg, den er kommen sah, vereiteln würden. Als es dann 1870 zum Krieg zwischen Deutschland und Frankreich kam, gelang dies nicht. Obwohl er sich auf die Seite seines Gastlandes stellte, wurde er als Angehöriger einer Feindnation ausgewiesen und musste die Zeit in Brüssel verbringen, so dass er die Pariser Commune, auf deren Barikaden er gerne gefallen wäre, zu seinem ganzen Leidwesen verpasste. Nach der Niederschlagung der Arbeiterrepublik gab er die Hoffnung auf eine Revolution zu seinen Lebzeiten auf. Anfang März 1875 lähmte ihn ein Schlaganfall. Auf seinem Krankenlager wurde ihm noch der Entwurf des Gothaer Programm vorgelesen, auf dessen Grundlage sich im Mai die beiden Arbeiterparteien in Deutschland zur „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ zusammenschlossen. Am 6. April 1875 starb er schließlich in Paris und wurde auf seinen Wunsch in Köln beigesetzt.[80]Weiß 2015, S. 194-199.

Seine Frau überlebte ihn und auch Marx und Engels um viele Jahre. Sie starb im Jahre 1903 ebenfalls in Paris.

 

Moses Heß im Widerstreit der Meinungen

Der „Vater der deutschen Sozialdemokratie“[81]Diese Inschrift ließen Kölner Sozialdemokraten in seinen Grabstein meißeln. geriet „erstaunlich schnell in Vergessenheit.“[82]Weiß 2015, S. 202. Franz Mehring zollte ihm zwar noch seinen Respekt als „selbstdenkender Kopf“[83]Zitiert nach Weiß 2015, S. 202. Mehring hielt die Kritik von Marx und Engels an Heß für „arg übertrieben, soweit es auf die Sache, und ganz ungerecht, soweit es auf die Personen ankam.“ … Continue reading. Und auch Eduard Bernstein würdigte seine „weitsichtige sozialistische Publizistik“.[84]Zitiert nach Keßler 2020, S. 323. Aber Anfang des 20. Jahrhunderts fiel er der Vergessenheit anheim. Entscheidend dazu beigetragen hat die Verleugnung seines Einflusses durch Marx und Engels und seine Denunziation als „Reaktionär“ – und das, ohne seinen Namen zu nennen.

Bei den heutigen hohen Ansprüchen, die insbesondere an wissenschaftliche Arbeiten von Politikern gestellt werden, könnte man sagen, der Marxismus war zu nicht unbedeutenden Teilen ein Plagiat an den Ideen und Formulierungen von Moses Heß. Und nicht nur ein Plagiat, bei dem die Quelle verschwiegen wurde, sondern eine Plagiat bei dem die Standpunkte der Quelle verfälscht und verdunkelt und die Quelle selber verunglimpft wurde.

Georg Lukács war demgegenüber der Meinung, dass „die harte Kritik des Kommunistischen Manifestes in allen wesentlichen Fragen zu Recht besteht.“ Heß selbst „erscheint […] als ein durchaus gescheiterter Vorgänger von Marx“.[85]Zitiert nach Keßler 2020, S. 324.

Eine rühmliche Ausnahme im Meer der harschen Verdikte von Heß durch Kommunisten in der Sowjetunion und der DDR bildete der in der DDR lebende und lehrende und dort auch hoch geehrte französische Gelehrte Auguste Cornu, der 1961 zusammen mit seinem Mitarbeiter Mönke eine sehr ausgewogende Darstellung der Bedeutung von Heß für Marx und Engels vorlegte. Diese Würdigung findet sich als Einleitung in ihrem verdienstvollen Buch, in dem die wichtigsten Veröffentlichungen von Moses Heß bis 1850 wieder abgedruckt wurden.[86]Cornu, Mönke 1961. Für viele von ihnen dürfte gelten, dass sie andernfalls nur noch sehr schwer zugänglich wären.[87]Keßler 2020, S. 325 ff.

Dabei war seine Bedeutung besonders für Marx enorm, wie Zwi Rosen zusammenfasst: „Der Autodidakt Hess war kein systematischer Denker. Seine Theorie war durchaus nicht immer kohärent und konsistent. Er lieferte jedoch viele bedeutende, umfassende Ideen und besaß ein großes, fest gegründetes Wissen. Er war ein leidenschaftlicher Ankläger der sozialen Ungerechtigkeit und setzte sich mit voller Hingabe für die Prinzipien der Menschlichkeit und Ehrlichkeit ein. Deshalb konnte er durch Werk und Person ‚systemmatisch eine ganze Generation junger Rebellen’ für seine Ideen gewinnen. Er war, nach der Meinung von Jindrich Zelený, neben Marx und Engels ‚der wichtigste kommunistische Theoretiker der vierziger Jahre’ […].

Hess hat Marx’ intellektuelle Entwicklung nachhaltig beeinflußt, ja er war der bedeutendste Anreger des Marxschen Kommunismus. Sein ethisch gefärbter Sozialismus und demokratischer Humanismus entfremdeten ihn aber allmählich von Marx. Dazu kam sein jüdisch geprägter Nationalismus, der in vollkommenem Widerspruch zu Marx’ Internationalismus stand.“[88]Rosen 1983, S. 177.

Und nachdenklich fährt er fort: „Das ist vielleicht das Seltsamste an den Beziehungen der beiden, daß sich Hess’ Ideen, die Marx in so großem Maß inspirierten, in eine Richtung wandten, die der Wirkungsgeschichte der Marxschen Lehre diametral zuwiderläuft.“[89]Rosen 1983, S. 178.

Mit Fug und Recht kann man also behaupten, dass der Marxismus von drei Männern begründet wurde – von zwei Rabbiner-Sprösslingen und zwei Kapitalistensöhnen.

Einzig in Israel besitzt Heß noch eine gewisse Prominenz als Begründer oder früher Vorläufer des Zionismus. Drei israelische Historiker – Edmund Silberner, Zwi Rosen und Shlomo Na’aman – schrieben maßgebliche Werke über ihn. Auch Ernst Bloch würdigte in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ die Schrift von Heß „Rom und Jerusalem“ als „das ergreifendste zionistische Traumbuch“.[90]Zitiert nach Weiß 2015, S. 208. Seine sterblichen Überreste wurden sogar 1961 nach Israel in das erste Kibbuz in Kinneret am See Genezareth überführt und etliche Straßen nach ihm benannt.[91]Weiß 2015, S. 204 f.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 So bezeichnet Engels „Dr. Marx“ im November 1843 als Kommunisten (Engels, Friedrich: „Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent.“ In: „The New Moral World“ Nr. 19 vom 4. November 1843 in: MEW 1, S. 494.).
2 Brief von Engels an Marx vom 19. November 1844 (MEW 27, S. 12, Hervorh. im Original).
3 Wie eine teilweise Vorwegnahme des „Kommunistischen Manifestes“ auf ökonomischem Gebiet wirken die Aufsätze, die er unter dem Titel „Die Folgen einer Revolution des Proletariats“ Ende des Jahres 1847 veröffentlichte.
4 Marx: Rechtsphilosophie, Einleitung, in: MEW 1, S. 391 (Hervorh. Im Orignial, RS).
5 Der Artikel von Arnold Ruge war am 27. Juli 1844 unter der Überschrift „Der König von Preußen und die Sozialreform“ mit der Unterschrift „Ein Preuße“ erschienen (MEW 1, S. 610, Anm. 160). Marx schrieb seine Erwiderung bereits am 31. Juli 1844 (ebd., S. 409), die am 7. und 10. August erschien (ebd., S. 392 u. 404). Hierdurch zeigte sich der Bruch zwischen Marx und Ruge, die diese Zeitung ja gemeinsam herausgaben, auch öffentlich. „Die Angriffe des Blatts auf ihre Politik veranlasste die preußische Regierung 1845 in Frankreich zu intervenieren und – schließlich erfolgreich – die Ausweisung von Marx zu betreiben.“
6 MEW 1, S. 404 (Hervorh. im Original).
7 MEW 1, S. 404 f. (Hervorh. im Original).
8 Zur Trennung von Weitling s. Koenen 2018, S. 311.
9 Herwegh 1843. Sie erschienen im Juli 1843 (siehe Cornu, Mönke 1961, S. XXXIV).
10 Heß 1843a, S. 78.
11 Der Franzose François Noël Babeuf (1760-1797) war einer der Ersten, der Ideen der Gleichheit realisieren wollte. Weil er an einem Aufstandsversuch gegen die Regierung beteiligt war, wurde er verurteilt und hingerichtet.
12 Heß 1843a, S. 77.
13 Ebd., S. 78.
14 Heß 1843a, S. 80 f. (Hervorh. im Original).
15 Heß 1845; abgedruckt in Cornu, Mönke 1961, S. 329-248. Da außer der Doppelfolge der „Jahrbücher“ keine weiteren Ausgaben mehr erschienen, veröffentlichte Heß seinen Aufsatz dann an anderer Stelle. Vielleicht hat Marx ihn auch bewusst nicht veröffentlicht, weil er seinem Aufsatz zu ähnlich war.
16 Marx: Judenfrage, in: MEW 1, S. 372 (Hervorh. im Original, RS).
17 Ebd., S. 373 (Hervorh. im Original, RS).
18 Heß 1845, zitiert nach Cornu, Mönke 1961, S. 345.
19 Dieses Thema wird in weiteren Kapiteln näher untersucht.
20 Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Damaskusaffäre.
21 HKWM („Kritik der politischen Ökonomie“), Band 8/I, Sp. 108.
22 Zitiert nach Cornu, Mönke 1961, S. 335 und 337.
23 Cornu, Mönke 1961, S. XLV.
24 Der erste erhaltene Brief von Engels an Marx stammt vom Oktober 1844 (MEW 27, S. 5 ff.). Der erste erhaltene Brief von Marx an Engels vom 15. Mai 1847 (ebd., S. 82 f.). Der nächste Brief stammt vom 12. März 1848 (ebd., S. 118). Von diesem Zeitpunkt an werden die Briefe von Marx dann sehr viel zahlreicher. Bis dahin stehen einem Brief von Marx 25 Briefe von Engels gegenüber. Deshalb sind wir in den Anfangsjahren ihrer Zusammenarbeit über die in den Briefen geäußerten Überlegungen von Engels wesentlich besser informiert als über die von Marx (s. a. Herres 2018, S. 25 und 46).
25 Karl Marx: „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844“, in: MEW 40, S. 465-588. Diese wurden allerdings erst im Jahre 1932 zum ersten Mal veröffentlicht.
26 Herres 2018, S. 46 f.
27 Karl Marx: Vorbemerkung zur französischen Ausgabe des Buches von Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (MEW 19, S. 181). Siehe auch Herres 2018, S. 31.
28 Gerber 2020, S. 53. Wie wir gesehen haben, hatte Marx in seinem Artikel „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, der im Februar 1844 veröffentlicht wurde, bereits vom Proletariat und der bevorstehenden Revolution gesprochen, allerdings ohne jeden empirischen Bezug und ohne nähere Erläuterung, was genau er damit meinte (s. Gerber 2020, S. 59).
29 Gerber 2020, S. 59 f.
30 Zur Bedeutung von Engels für Marx und umgekehrt und die Wichtigkeit ihres Treffens siehe Gerber, Jan: Die große Symbiose: Marx und Engels in Paris. In: Engels Sozialdemokratie 2020, S. 53-72.
31 Engels: Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: MEW 21, S. 212. Der Text wurde über 40 Jahre später im Jahre 1885 geschrieben und veröffentlicht.
32 Engels hat mit Heß daheim in Elberfeld sehr zum Missfallen seines „Alten“ für den Kommunismus agitiert, wie er Marx stolz berichtete (Brief an Marx vom 17. März 1845, in: MEW 27, S. 26 f.). Hier schrieb er auch über seine Pläne, eine Bibliothek kommunistischer Schriften der Engländer und Franzosen in deutscher Sprache zu veröffentlichen, wozu ihn möglicherweise Heß angeregt hatte.
33 Brief vom 20. Januar 1845 (MEW 27, S. 15). „Der Gesellschaftspiegel war eine einflussreiche gesellschaftskritische Zeitschrift des Vormärz.“ Sie wurde unter der Redaktion von Moses Heß herausgegeben. „Sie erschien monatlich zwischen 1845 und 1846 in Elberfeld […] und erlebte insgesamt 12 Ausgaben. […] Neben Schilderungen des Sozial- und Arbeitslebens enthielt der Gesellschaftsspiegel auch Beiträge zu Politik und Sozialgesetzgebung, aber auch Gedichte.“ (s. Wikipedia: Gesellschaftsspiegel). Als Herausgeber war Engels schließlich nicht beteiligt, als Autor aber – ebenso wie Marx – durchaus (MEW 27, S. 621, Anm. 19).
34 Engels: Umrisse, in MEW 1, S. 499.
35 Rosen 1983, S. 173.
36 Rosen 1983, S. 158.
37 Rosen 1983, S. 174.
38 Rosen 1983, S. 175.
39 Wie wichtig es den beiden frischgebackenen Kommunisten von Anfang an war, die „Superiorität“ gegenüber den altgedienten Genossen zu erringen, geht aus einem Brief von Engels an Marx vom 11. Januar 1848 hervor: „Was den L. Bl[anc] angeht, so verdient der, gezüchtigt zu werden. Schreib eine Kritik seiner ‚Revolution’ für die ‚D[eutsche-] B[rüsseler-]Zeitung’ und weis ihm praktisch nach, wie sehr wir über ihm stehen; freundschaftlich in der Form, aber unsre Superiorität entschieden festhaltend im Inhalt.“ (MEW 27, S. 114).
40 Rosen 1983, S. 177. So im Entwurf einer Rede für den 4. Kongreß der 1. Internationale im Jahre 1869 in Basel.
41 Hierzu wird es einen ausführlichen Beitrag geben.
42 Ebenso wie Marx – nur erheblich kürzer – verfaßte Heß eine Kritik des Werkes „Philosophie de la misère“ von Proudhon, die 1847 veröffentlicht wurde (Cornu, Mönke 1961, S. 397-400). Diese Veröffentlichung zählt nicht zur „Deutschen Ideologie“.
43 „Moses Heß unter Mitwirkung von Karl Marx · Dottore Graziano’s Werke. Zwei Jahre in Paris, Studien und Erinnerungen von A. Ruge“ (MEGA I/5, S. 647-667, s.a. Cornu, Mönke 1961, S. 401-424; eine Arbeit die 1847 separat veröffentlicht wurde, aber heute zum Konvolut der „Deutschen Ideologie“ gezählt wird).
44 „Moses Heß/Friedrich Engels · V. ‚Der Dr. Georg Kuhlmann aus Holstein’, oder die Prophetie des wahren Sozialismus.“ (MEGA I/5, S. 590-601, siehe auch MEW 3, S. 521-530). Auch das folgende Manuskriptfragment wird in der neuen Ausgabe der „Deutschen Ideologie“ zugerechnet: „Moses Heß/Friedrich Engels · [Manuskriptfragment über Georg Kuhlmann und August Becker (Auszug)]“ (MEGA I/5, S. 668-670).
45 Wie so häufig bei den Beiden, ging auch bei Moses Heß die inhaltliche Kritik mit persönlich sehr herabsetzenden Äußerungen des Kritisierten in ihrem Briefwechsel einher. Siehe dazu z.B. die Briefe von Engels an Marx vom 27. Juli (MEW 27, S. 30) und vom 19. August 1846 (ebd., S. 32). In einem Brief an das „kommunistische Korrespondenz-Komitee“ vom 16. September 1846 schrieb Engels über Heß sogar: „Ich ignoriere das Vieh natürlich komplett“ (ebd., S. 45). Am 9. März 1847 berichtete Engels an Marx, dass er „Moses […] mit offnem Maule stehenließ, um mit dem Maler K[örner] zwei Mädel abseiten zu führen, die dieser aufgegabelt!“ (ebd., S. 81). Im Brief von Marx an Engels vom 15. Mai 1847 bezeichnet er Heß als „Esel“ (ebd., S. 83).
46 So schrieb Heß im Mai 1846 an Marx: „Ihr habt ihn [Weitling RS] ganz toll gemacht und wundert Euch nun darüber, daß er es ist. Ich mag nichts mehr mit der ganzen Geschichte zu tun haben; es ist zum Kotzen. Scheiße nach allen Dimensionen.“ Und ein paar Tage später ergänzte er, dass „mir das gemeinschaftliche Wirken in dieser Partei“ durch die Streitereien verleidet würde. Und schloss mit den Sätzen: „Gehab dir wohl! Mit Dir persönlich möchte ich noch recht viel verkehren; mit Deiner Partei will ich nichts mehr zu tun haben.“ (zitiert nach Rosen 1983, S. 176 f.). Siehe hierzu auch: Weiß 2015, S. 134 ff.
47 Marx, Engels: Deutsche Ideologie (MEW 3, S. 479). Cornu und Mönke halten Marx für den Schreiber dieses Abschnitts (Cornu, Mönke 1961, S. LXIII f.). Sowohl die Herausgeber der MEW (3, S. 473) als auch der MEGA (I/5, S. 545) sehen Marx und Engels als gemeinsame Verfasser an.
48 Engels, Friedrich: „Der Status quo in Deutschland“, in: MEW 4, S. 42. Den Aufsatz schrieb Engels im März/April 1847 (s. ebd., S. 57). Veröffentlicht wurde er erst im Juli 1929 in der Sowjetunion. (s. S. 620, Anm. 35). Siehe dazu auch den Aufsatz von Engels „Die wahren Sozialisten“ (MEW 4, S. 248).
49 Engels an das „kommunistische Korrespondenz-Komitee“ vom 16. September 1846 (MEW 27, S. 44).
50 Brief von Engels an Marx vom 15. Januar 1847 (MEW 27, S. 74).
51 Brief von Engels an Marx vom 28.-30. September 1847 (MEW 27, S. 88).
52 MEW 27, S. 98 (Hervorh. im Original). S. a. Rosen 1983, S. 159.
53 Friedrich Engels: „Grundsätze des Kommunismus“ (MEW 4, S. 361-380). Darin hatte er schon viele Punkte, die später im „Kommunistischen Manifest“ enthalten sein sollten, aufgeführt. Den endgültigen Text hat er dann mit Marx gemeinsam abgestimmt und damit ihre gemeinsame Ansicht in einprägsamer Form in weltbewegende Worte gefasst. Hierzu wird ein gesonderter Beitrag erscheinen.
54 MEW 27, S. 107.
55 Cornu, Mönke 1961, S. 445-457.
56 Siehe Cornu, Mönke 1961, S. 425-444. Die Übereinstimmungen und Unterschiede dieses Textes mit dem „Kommunistischen Manifest“ werden in einem gesonderten Beitrag untersucht.
57 Marx, Engels: Kommunistisches Manifest (MEW 4, S. 487).
58 Marx, Engels: Kommunistisches Manifest (MEW 4, S. 488). In der deutschen Ausgabe von 1890 legte Engels noch eine Schippe drauf und behauptete: „Der Revolutionssturm von 1848 hat diese gesamte schäbige Richtung weggefegt“ (Anm. ebd.).
59 Auch wenn in der Ausgabe von 1848 in diesem Zusammenhang kein Name genannt wurde (Erst über 40 Jahre später hat Engels einen Namen fallen lassen: „Der Revolutionssturm von 1848 hat diese gesamte schäbige Richtung weggefegt und ihren Trägern die Lust benommen, noch weiter in Sozialismus zu machen. Hauptvertreter und klassischer Typus dieser Richtung ist Herr Karl Grün. [Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe von 1890.]“ (MEW 4, S. 488). Hieran sind zwei Dinge unwahr. Erstens war Grün nur ein Epigone von Heß und zweitens hat Heß Zeit seines Lebens nicht davon abgelassen, die Arbeiterbewegung tatkräftig und durch Publikationen zu unterstützen. Dass mit der Kritik an den „wahren Sozialisten“ vor allem Moses Heß gemeint war, geht aus den Zitaten hervor, die sich eindeutig auf ihn beziehen, wie z.B.: „hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie ‚Entäußerung des menschlichen Wesens’, hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie ‚Aufhebung der Herrschaft des abstrakt Allgemeinen’ usw.

Die Unterschiebung dieser philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften sie ‚Philosophie der Tat’, ‚wahrer Sozialismus’, ‚deutsche Wissenschaft des Sozialismus’, ‚philosophische Begründung des Sozialismus’ usw.“ (MEW 4, S. 486). Alles Zitate, die wortwörtlich oder zumindest sinngemäß von Moses Heß stammen, die man aber auch ohne Mühe bei Karl Marx findet.

60 Cornu, Mönke 1961, S. 443.
61 Cornu, Mönke 1961, S. 438.
62 Weiß 2015, S. 161.
63 Siehe Weiß 2015, S. 97 ff.
64 Siehe dazu Mettele 2011.
65 Siehe dazu die Briefe von Engels an Marx (MEW 27, S. 30) und Marx und Engels an Moses Heß vom 27. Juli 1846 (MEW 27, S. 445).
66 Er hatte Marx gegenüber schon 1846 behauptet, dass Frau Heß ihren Gatten satt hätte und einen neuen suche (Brief von Engels an Marx vom 19. August 1846, MEW 27, S. 35). In einem Brief an das Kommunistische Korrespondenzkomittee vom 16. September 1846 schrieb er sogar, dass „beiderseits gewünscht [wird], daß ich die weibliche Seite für meine Rechnung und Gefahr übernehmen möchte.“ (MEW 27, S. 45), womit er wohl andeuten wollte, dass Moses Heß und die „Mösin“, wie dessen Partnerin mit deutlich sexueller Konnotation unter den „Freunden“ genannt wurde (Jenny Marx an Engels vom 19. Dezember 1850 und Engels an Dronke vom 19. Juli 1851; s. MEW 27, S. 612 und 562; siehe auch die überaus abfälligen Bemerkungen in einem Brief von Dronke an Marx Ende 1850 über die „Mösin“, „welche sich im Arbeiterverein besäuft und kotzt“. Stolz fügte Dronke über Heß hinzu: „Indeß überwache ich ihn und erfahre Alles über ihn.“ Zitiert nach Weiß 2015, S. 160.), übereingekommen seien, dass Engels sie als Geliebte „übernehmen“ solle.
67 Engels an Marx vom 14. Januar 1848 (MEW 27, S. 109 f.). Siehe dazu auch Weiß 2015, S. 137 f.
68 Brief von Engels an Marx vom 18. März 1848 (MEW 27, S. 122).
69 Rosen 1983, S. 8.
70 Karl Marx/Friedrich Engels: [Zirkular gegen Kriege] (MEW 4, S. 3-17).
71 Weiß 2015, S. 163.
72 Cornu, Mönke 1961, S. LXVIII.
73 Siehe dazu Rosen 1983, S. 8.
74 So sahen sie später in dem Deutsch-Französischen Krieg, den Bismarck durch eine raffinierte Provokation (Emser Depesche) von Napoleon III. ausgelöst hatte, „von deutscher Seite“ einen „Verteidigungskrieg“, (s. Karl Marx: „Erste Adresse des Generalrats [der „Ersten Internationalen“ RS] über den Deutsch-Französischen Krieg“ (MEW 17, S. 5; s.a. ebd., S. 6), während Heß „Volksbewaffnung gegen die preußisch-deutsche Agression“ forderte (Weiß 2015, S. 194; s.a. ebd., 163 ff.). Auch mit dem Hintergedanken, dass das bewaffnete Volk eine Revolution dürchführen könnte, was ja dann auch tatsächlich in einigen Städten Frankreichs geschah. Nach dem Sieg Deutschlands warnte er, „dieser hässliche Raubvogel, den man in einen kaiserlichen Adler verwandelt hat“, der „alle Volksfreiheit und nationale Unabhängigkeit töten und Europa um mindestens ein Jahrhundert zurückversetzen würde“ (zitiert nach Keßler 2020, S. 322).
75 Zitiert nach Keßler 2020, S. 333.
76 Weiß 2015, S. 170 ff.
77 Weiß 2015, S. 175.
78 Weiß 2015, S. 186 ff.
79 S.a. Rosen 1983, S. 8.
80 Weiß 2015, S. 194-199.
81 Diese Inschrift ließen Kölner Sozialdemokraten in seinen Grabstein meißeln.
82 Weiß 2015, S. 202.
83 Zitiert nach Weiß 2015, S. 202. Mehring hielt die Kritik von Marx und Engels an Heß für „arg übertrieben, soweit es auf die Sache, und ganz ungerecht, soweit es auf die Personen ankam.“ (Zitiert nach Keßler 2020, S. 323).
84 Zitiert nach Keßler 2020, S. 323.
85 Zitiert nach Keßler 2020, S. 324.
86 Cornu, Mönke 1961.
87 Keßler 2020, S. 325 ff.
88 Rosen 1983, S. 177.
89 Rosen 1983, S. 178.
90 Zitiert nach Weiß 2015, S. 208.
91 Weiß 2015, S. 204 f.