Auf dieser Seite werden die Zusammenfassungen der Beiträge über die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels eingestellt, nachdem die entsprechenden Beiträge veröffentlicht wurden. Der Eintrag erfolgt in chronologischer Reihenfolge der Entstehung der Werke.

Bisher sind folgende Beiträge erschienen:

Dissertation von Karl Marx

Karl Marx: Zur Judenfrage

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung

Friedrich Engels: Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie

 

Zusammenfassungen

1841: Dissertation von Karl Marx

Das erste erhaltene philosophische Werk von Marx ist seine Dissertation aus dem Jahre 1841. Hierin beschäftigt er sich mit den Unterschieden der Naturvorstellungen von Demokrit und Epikur. Und obwohl es sich bei diesen um die bedeutendsten materialistischen Denker der Antike handelt, spielt ihr Materialismus für Marx in seiner Arbeit überhaupt keine Rolle.

Marx wollte stattdessen das Jahrtausende alte Rätsel lösen, warum die beiden Philosophen trotz identischer Weltsicht, dass außer Atomen und der Leere nichts existiere, ihre Ansichten über die Atome und deren Verhalten sich geradezu diametral widersprechen würden.

Marx charakterisierte die Widersprüche mit folgenden Worten:

„Der Skeptiker und Empiriker [Demokrit RS], der die sinnliche Natur für subjektiven Schein hält, betrachtet sie unter dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit und sucht die reale Existenz der Dinge zu erklären und zu fassen. Der Philosoph und Dogmatiker [Epikur RS] dagegen, der die Erscheinung für real hält, sieht überall nur Zufall; und seine Erklärungsweise geht vielmehr dahin, alle objektive Realität der Natur aufzuheben.“

Die Ursachen sah Marx in den unterschiedlichen Ansichten über die Atome und deren Verhalten. Während Demokrit diesen nur geradlinige Bewegungen und Zusammenstöße zubilligt, gibt es für Epikur noch eine dritte Bewegung, die davon zufällig abweicht, so dass es Raum gibt für die menschliche Freiheit und nicht alles determiniert ist, wie bei Demokrit.

Für Demokrit haben die Atome nur hypothetischen Charakter, während sie für Epikur real sind, weshalb er ihnen auch reale Eigenschaften beimisst – wie z.B. verschiedene Größen, Formen und die Schwere.

Die Zeit ergibt sich aus der Sinneswahrnehmung. Die Atome versenden Abbilder, die der Mensch wahrnimmt, wodurch die Atome vergehen.

Epikur postulierte – nach Marx –, dass die Himmelskörper nicht ewig sein könnten, weil sonst das höchste Ziel der Philosophie – die menschliche Ataraxie (die Seelenruhe) – gefährdet sei. Für Epikur waren die Himmelskörper somit die allgemeine Form des Selbstbewusstsein, weil hierin die Atome vereint seien, die „die Materie in der Form der Selbständigkeit, der Einzelheit“ darstellten.

„Bei Epikur ist daher die Atomistik […] die Naturwissenschaft des Selbstbewußtseins […] bis zur höchsten Konsequenz, welches ihre Auflösung und bewußter Gegensatz gegen das Allgemeine ist […]. Dem Demokrit […] bleibt [das Atom dagegen …] reine und abstrakte Kategorie, eine Hypothese“.

Aus dem „göttlichen“ „Logos“ Hegels, das sich im menschlichen Selbstbewusstsein offenbart, hatte Marx mit Hilfe des „selbstbewussten“ Atom des Epikur das autonome „göttliche“ „menschliche Selbstbewusstsein“ abgeleitet und damit Hegel bereits zum ersten Mal vom Kopf auf die Füße gestellt.

 

1843: Karl Marx: Zur Judenfrage

Marx kritisiert in seinem Aufsatz zwei Veröffentlichungen seines vormaligen Freundes und Mentors Bruno Bauer, der darin als Voraussetzung der Judenemanzipation verlangt hatte, dass sie ihre Religion aufgeben müssten. Dem hielt Marx entgegen, dass eine politische Emanzipation für Juden möglich wäre in einem Staat, der sich vom Christentum emanzipiert, wie es in Frankreich und den USA der Fall war. Auch Menschenrechte können die Juden erhalten, da diese die Religionsfreiheit umfassen. Allerdings seien die Juden wie auch die gesamte Gesellschaft selbst nach Gewährung der Menschenrechte von der menschlichen Emanzipation noch weit entfernt, weil diese nur individuelle Rechte enthalten, wie z.B. das Recht auf Privateigentum, die den Menschen vom Gattungswesen entfremden.

In einer zweiten Argumentationsfigur behauptet Marx dann, dass in der bürgerlichen Gesellschaft der jüdische Geist bereits herrschen würde, der aus Schacher und Eigennutz bestünde und dessen Gott das Geld sei. Erst wenn sich die Menschheit vom Judentum emanzipiert hätte, wären auch die Juden wirklich emanzipiert. Jedwede Religion als Ausdruck der Entfremdung vom Gattungswesen würde sich durch diese Emanzipation und die dadurch bewirkte Aufhebung der Entfremdung in Luft auflösen.

Obwohl Marx sich antisemitischer Argumentationsmuster bedient, ist die Argumentation nicht antisemitisch, weil sie sich nicht per se gegen Juden richtet, sondern gegen alle Menschen, die vom jüdischen Schacher-Geist beseelt sind. Da diese Äußerungen aber sehr pejorativ und diskriminierend sind und in der Metaphernwahl vollständig mit antisemitischen Äußerungen übereinstimmen, die 100 Jahre später als Legitimation des Holocaust dienten, kann man Marx durchaus Sozial-Chauvinismus vorwerfen, weil er das Proletariat der Bourgeoisie überlegen hielt und das Verschwinden der letzteren prophezeite. Dies wiegt umso schwerer als die pauschalen und völlig haltlosen Vorwürfe gegen Juden direkt auf die Kapitalisten übertragen wurden. Diese Argumentation diente später zur Legitimierung zahlreicher Verfolgungsmaßnahmen gegen vermeintliche Eigentümer, bis hin zum Massenmord an den Kulaken in der Sowjetunion unter Stalin.

 

1844: Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung

Mit dem kurzen Aufsatz „Hegelsche Rechtsphilosophie, Einleitung“ beginnt „das eigentliche Marx’sche Denken“ (Gerd Koenen). Marx macht hier genauso spekulativ weiter, wie er es von Hegel und Bruno Bauer gelernt hatte. Nur war er inzwischen dank Moses Heß zum Kommunisten geworden und hoffte wie dieser auf die Erlösung von der Entfremdung durch das Proletariat.

Der Aufsatz erschien in den „Deutsch-Französischen-Jahrbüchern“, deren einzige Nummer er mit Arnold Ruge in Paris, wohin er mit seiner frisch angetrauten Gattin Jenny von Westfalen vor den bedrückenden deutschen Zuständen geflohen war, herausgab.

Die Ziele der Zeitschrift umriss Marx in einem Brief an seinen Mitherausgeber: „Wir können also die Tendenz unsers Blattes in ein Wort fassen: Selbstverständigung der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche. Es handelt sich um eine Beichte, um weiter nichts. Um sich ihre Sünden vergeben zu lassen, braucht die Menschheit sie nur für das zu erklären, was sie sind.

Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen.“

Hier hört man noch mehr als deutlich die Religionskritik, von der Marx als Junghegelianer ja kam, heraus. Nun aber sollte es damit sein Bewenden haben und an die Stelle der Kritik der Religion müsse nun die Kritik des Rechts und der Politik treten, womit sich die „Kritik des Himmels verwandelt […] in die Kritik der Erde“, so Marx. Und der „Kampf gegen die Religion [… wurde] mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.

Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.“

Und „Kampf“ bedeutete für Marx dabei keine sachliche Auseinandersetzung, sondern einen „Krieg“ zu führen oder in ein „Handgemenge“ zu geraten, in dem es darauf ankomme, den „Gegner […] zu treffen“.

„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.

Und wer könnte die Verhältnisse umwerfen? „Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der Blitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wird sich die Emanzipation der Deutschen zu Menschen vollziehn.

Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt. In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat.“

Marx war also nicht nur der Meinung, dass die Abschaffung des Privateigentums und damit der menschlichen Entfremdung durch das Proletariat in Deutschland und Europa auf der Tagesordnung stand. Er vertrat zudem die Meinung, dass dies nur geschehen könne, wenn der „Blitz des Gedankens“ des „Philosophen“ in den „naiven Volksboden eingeschlagen“ sei und die „Philosophie“ als „Kopf“ das „Proletariat“ als „Herz“ bei der „Emanzipation“ der Menschheit führen würde. Zudem würde diese Befreiung zwar vom „Schmettern des gallischen Hahns“ „verkündet“, aber das „gründliche Deutschland“ würde die „Emanzipation des Menschen“ dann verwirklichen. Seine Prophezeiungen sah Marx vollauf bestätigt durch den Schlesischen Weberaufstand, der kurze Zeit später ausbrach.

Hiermit verkündete Marx einen doppelten Politik-Chauvinismus, von dem er und auch Engels Zeit ihres Lebens nicht lassen sollten. Einmal erklärte er die Führungsrolle und damit die Überlegenheit des Philosophen gegenüber den Arbeitern und dann die Überlegenheit des so geführten deutschen Proletariats gegenüber dem Proletariat der übrigen Nationen. Und dies alles in einer Situation, in der es mit Ausnahme von England praktisch noch gar kein Proletariat gab.

Mit diesen Vorstellungen brachte er seine bisherigen Bundesgenossen, die Radikaldemokraten Bruno Bauer und Arnold Ruge, gegen sich auf, schuf aber die Grundlage für die Freundschaft mit Friedrich Engels.

Für Marx stand zu diesem Zeitpunkt die Aufhebung der Entfremdung im Mittelpunkt seines Denkens, weil er selber ein zutiefst entfremdeter Mensch war. Deshalb sollte er auch niemals die befreiende Rolle der Entfremdung erkennen, die ja Voraussetzung der Erkenntnis des Menschen selbst und der Welt um ihn herum sowie die Bedingung der individuellen Freiheit ist.

 

1843/44: Friedrich Engels: Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie

Es war nicht die erste Arbeit, die Engels als Kommunist verfasste, aber es war die erste Arbeit, in der er die Ökonomie umfassend als Grundlage des Verständnisses der gesellschaftlichen Verhältnisse in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft benutzte. Da dies den entscheidenden Unterschied des „wissenschaftlichen Sozialismus“, wie Engels später ihre Theorie bezeichnete, gegenüber allen anderen – nach Engels „utopischen“ – sozialistischen Ansätzen ausmacht, kann dieser kleine Aufsatz mit Fug und Recht als Gründungsdokument des Marxismus gesehen werden. Engels war geradezu prädestiniert für diese Betrachtungsweise. Er war kein Philosoph, er stand als Unternehmer mit beiden Beinen im wirklichen Leben und er war Ende des Jahres 1843 seit einem Jahr Kommunist und lebte in der Welthauptstadt des Kapitalismus – in Manchester. Andererseits hatte er aber die philosophische Diskussionen um Bruno Bauer und Feuerbach intensiv verfolgt, so dass es ihm gelang, die Entfremdung dem Sinne nach und sogar den Begriff des „Gattungsbewusstseins“geschickt in seine ökonomische Argumentation einzubauen. Durch diese Einbeziehung der Junghegelianischen Philosophie gelang es Engels, Karl Marx und ein Stück weit auch Moses Heß von der Überlegenheit des ökonomischen Ansatzes zu überzeugen. Marx begann umgehend nach der Lektüre dieses Aufsatzes mit seinen ökonomischen Studien, die ihn sein Lebtag nicht mehr loslassen sollten. Nicht zu Unrecht gilt die ökonomische Analyse des Kapitalismus als der wichtigste Beitrag von Karl Marx zum Marxismus. Nachdem die beiden sich dann im August 1844 getroffen hatten und ihre Freundschaft und Zusammenarbeit damit begründet ward, überließ Engels das Thema der Ökonomie vollständig seinem neue Freunde und unterstützte ihn auf alle erdenkliche Weise, damit er seine ökonomische Analyse abschließen konnte, woran Marx bekanntlich scheiterte.

Aber Engels’ Schrift war nicht nur grundlegend für den Marxismus, weil sie Marx den entscheidenden Anstoß gab, sich mit Ökonomie zu beschäftigen. Sie enthielt bei aller von Engels selbst eingestandenen Konfusion in der Definition der Begriffe (Wert, Produktionskosten etc.) auch schon wesentliche Bestandteile der späteren Theorie von Marx. Wie z.B. die Überproduktionskrisen, die zu einer Revolution führen müssen, nach der die Gesellschaft die Produktion kollektiv planen kann und so die kapitalistische Anarchie hinter sich lässt.

Engels stellte auch schon die These auf, dass die Industrialisierung durch den Einsatz von Maschinen und Agrochemie und die Wissenschaft eigentlich eine unbegrenzte Steigerung der Produktion für eine weiter wachsende Bevölkerung gewährleisten würde, wenn nur die kapitalistische Konkurrenz beendet wäre und die Gesellschaft die Produktion nach ihren Bedürfnissen planen könnte. Stattdessen erzeuge die kapitalistische Konkurrenz immer wieder Überproduktion – oder wie Engels hier schreibt „Überreichtum“ –, während die Arbeiter immer mehr verarmen und ihre Zahl immer größer wird, weil sich das Kapital in die Hände von immer weniger geldgierigen Spekulanten konzentriere. An diesen inneren Widersprüchen müsse der Kapitalismus notwendig zu Grunde gehen, woraus dann der Kommunismus entstünde, so Engels.

Frappierend an diesem Text ist der Hass, den Engels gegenüber der Nationalökonomie, die er als „Bereicherungswissenschaft“ beschimpft, und den Ökonomen artikuliert. Als nächstes trifft der pietistisch grundierte moralische Bannstrahl von Engels die Händler und Spekulanten. Aber zuvörderst wettert er gegen die Ökonomen und unter den Ökonomen besonders gegen Thomas Robert Malthus. Dieser hatte mit seiner Bevölkerungstheorie die Antitheorie zum Kommunismus, in dem alle Menschen friedlich und im Überfluss zusammenleben, aufgestellt. Er hatte behauptet, dass eine gestiegene Lebensmittelproduktion die Anzahl der Menschen so sehr vermehren würde, dass der Wohlstand des Einzelnen sich nicht verbessern, sondern sogar noch verschlechtern würde. So würde der Mangel nie enden und Kommunismus unmöglich. Immerhin erkannte Engels an, dass dieser „Kampf aller gegen alle“ und die zunehmende Verelendung tatsächlich für den Kapitalismus gelten würde, aber natürlich nicht für den Kommunismus, weil die Produktion viel stärker gesteigert werden könne, als die Bevölkerung. Dieser Kampf gegen Malthus sollte Marx und Engels bis an ihr Lebensende nicht mehr loslassen.

Engels irrte vollständig mit der Behauptung, dass einer immer weiter wachsenden Bevölkerung ein steigender Lebensstandard garantiert werden könne. Denn irgendwann sind die Ressourcen der Erde erschöpft. Aber er hatte immerhin recht mit der erstaunlich hellsichtigen Beobachtung, dass auf Grund der Industrialisierung für geraume Zeit die Produktion der Lebensmittel stärker steigen könne, als die Bevölkerung, so dass der Wohlstand der Menschen zunehmen würde. Dass dies aber gerade dem Kapitalismus gelingen würde, hätte Engels natürlich als absurd angesehen. Tatsächlich ist dies aber in den folgenden 180 Jahren geschehen und diese Wohlstandsvermehrung hatte den erfreulichen Effekt – den weder Engels noch Malthus geahnt hatten –, dass die Zunahme der Weltbevölkerung immer weiter abgenommen hat und in wenigen Jahrzehnten ganz zum Stillstand kommen wird.